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Arbeitsrecht Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag - Teil 2

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 01.08.2013 – 2 Sa 6/13

Das Landesarbeitsgericht in Stuttgart hat auf die Klagen zweier von Drittunternehmen bei einem renommierten Fahrzeughersteller Beschäftigten entschieden, dass der Fremdpersonaleinsatz im Wege der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt ist.

Die 1957 bzw. 1960 geborenen Kläger haben mit einem IT-Systemhaus Verträge als freie Mitarbeiter. Dieses IT-Systemhaus ist ein Subunternehmen eines führenden Dienstleisters für Informationstechnologie, der die Kläger im Rahmen eines Werkvertrages mit dem Fahrzeughersteller ausschließlich bei diesem eingesetzt hat. Beide Kläger arbeiteten aufgrund solcher Verträge von 2001 bis Ende 2011 als IT-Fachkräfte beim Fahrzeughersteller, zuletzt in der Abteilung Treasury. Dort betreuten sie die EDV und waren insbesondere für die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze zuständig. Sie begehren nun die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Fahrzeughersteller, der Beklagten.

Die Kläger sind der Auffassung, dass sie Arbeitnehmer des Fahrzeugherstellers seien. Sie seien in den Betrieb der Beklagten eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Kläger keine Weisungen und Arbeitsaufträge von der Beklagten erhalten hätten. Die Beauftragung der Kläger sei vielmehr im Rahmen eines Ticketsystems erfolgt, indem Beschäftigte der Beklagten EDV-spezifische Aufträge an das IT-Systemhaus erteilt hätten. Das Arbeitsgericht hatte die Klagen abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die Kläger weiter die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten verfolgt.

Die Berufung war vor dem Landesarbeitsgericht erfolgreich. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Fremdpersonaleinsatz der Kläger im Wege der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt. Bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung komme es vor allem darauf an, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten (hier: des Fahrzeugherstellers) eingegliedert gewesen seien und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten haben. Wenn dies der Fall sei, sei von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Dabei komme es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden seien.

Die Kläger, die jahrelang in den Betriebsräumen mit Betriebsmitteln der Beklagten für diese tätig gewesen sind, seien bei der Beklagten eingegliedert gewesen. Sie haben auch von der Beklagten viele arbeitsvertragliche Weisungen erhalten. Das zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmen und der Beklagten vereinbarte Ticketsystem (IT-Aufträge von Arbeitnehmern der Beklagten werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmer bearbeitet) sei in vielen Fällen so nicht gelebt worden. Vielmehr seien die Kläger von vielen Mitarbeitern der Beklagten aus der Abteilung Treasury direkt beauftragt worden. Dabei handele es sich nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis. Nach einer wertenden Gesamtbetrachtung sei deshalb von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.

Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) sei zwischen den Klägern und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum BAG zugelassen.

Fazit:

Eine weitere Entscheidung, die die Fremdvergabe von Tätigkeiten an Drittunternehmen im Wege von Dienst- oder Werkverträgen, bei denen die Mitarbeiter des Drittunternehmens in das Unternehmen des Auftraggebers eingegliedert sind, in Frage stellt.

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