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Arbeitsaufforderung zu direkter Streikarbeit unzumutbar

Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 31.07.2013 - 4 Sa 18/13 und 4 Sa 19/13

Die im Zusammenhang mit dem Streik im Ulmer Stadtverkehr am 26.05.2012 ergangenen Ermahnungen wegen verweigerter Arbeitsleistung sind aus den Personalakten der Arbeitnehmer zu entfernen. Die Arbeitsaufforderung der Beklagten sei auf eine sogenannte „direkte Streikarbeit“ gerichtet und demnach unzumutbar gewesen.

Die Städte Ulm und Neu-Ulm betreiben gemeinsam die SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH, die wiederum 100 %-ige Gesellschafterin der SWU Verkehr GmbH (Beklagte) und der SWU Nahverkehr GmbH ist. Die Beklagte betreibt und unterhält die Infrastruktur und die Netze. Die SWU Nahverkehr GmbH, die über keinerlei Fahrzeuge verfügt, hat die Verkehrsdienstleistungen an die Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH mit Sitz in Bobingen vergeben. Die Fahrzeuge werden jedoch auf dem Betriebsgelände der Beklagten in Ulm abgestellt. Dort befindet sich auch die Leitstelle, von der die Einsatzplanung vorgenommen wird. Die Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH setzt für den Stadtverkehr Ulm/Neu-Ulm etwa 60 eigene Arbeitnehmer und ca.130 Leiharbeitnehmer, die sie sich seit 2006 von der Beklagten entleiht, nachdem diese seit diesem Zeitpunkt selbst keine Verkehrsdienstleistungen mehr erbringt, ein. Die Kläger sind von der Beklagten an die Firma Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH verliehene Arbeitnehmer. Die Beklagte verfügt über eine unbefristete Arbeitnehmerüberlassungsgenehmigung. Am 26.05.2012 wurde die Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH unter der Führung der Gewerkschaft ver.di ab Beginn der Frühschicht um 4 Uhr ganztägig bestreikt. Die Kläger sollten nach Anweisung der Beklagten Verkehrsdienstleistungen erbringen, an diesem Streiktag jedoch nicht für die Entleiherfirma in Leiharbeit, sondern für sie selbst im originären Arbeitsverhältnis. Die Fahrzeuge seien der Beklagten für diesen Tag von der Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH zur Verfügung gestellt worden. Die Kläger haben dies als unzulässige Aufforderung zum Streikbruch verstanden und machten gegenüber der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geltend. Diese Vorschrift besagt, dass Leiharbeitnehmer nicht verpflichtet sind, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. Die Beklagte erteilte den Klägern deshalb eine „Ermahnung“, deren Entfernung aus der Personalakte die Kläger begehren. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis, ging jedoch davon aus, dass die seit 2006 von der Beklagten betriebene Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr nur vorübergehend war, sondern auf Dauer angelegt, und somit nicht mehr von der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Beklagten gedeckt.

Folge dieses Rechtsverstoßes sei, dass die Arbeitsverträge zwischen der Beklagten und den Klägern unwirksam wurden und neue Arbeitsverhältnisse zwischen den Klägern und der Firma Schwaben Mobil Nahverkehr Service GmbH als zustande gekommen gelten, § 10 Abs. 1 AÜG. Die Ermahnungen seien daher nicht mehr vom richtigen Arbeitgeber ausgesprochen worden. Selbst wenn man aber keinen Verstoß gegen das AÜG annehmen wollte, wären die Ermahnungen aus der Personalakte zu entfernen. Zwar hätten sich die Kläger nicht direkt auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 5 AÜG berufen können. Die Arbeitsaufforderung der Beklagten war aber auf eine sogenannte „direkte Streikarbeit“ gerichtet, da die Kläger dieselbe Tätigkeit hätten verrichten sollen, die streikbedingt ausgefallen ist. Eine solche Arbeitserbringung war den Klägern nach Auffassung des Gerichts unzumutbar. Die Beklagte habe ihr Direktionsrecht überschritten. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Fazit:

Das Landesarbeitsgericht BadenWürttemberg hat zwei Punkte klar gestellt: Zum einem darf die Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 2 AÜG nur vorübergehend erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10.07.2013 – 7 ABR 91/11 festgestellt, dass es sich hierbei nicht nur um einen unverbindlichen Programmsatz handele. Folge einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung ohne entsprechende Erlaubnis ist gemäß § 10 Abs. 1 AÜG, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer begründet wird. Weiter stellt das Landesarbeitsgericht klar, dass die Weisung dieselbe Tätigkeit zu verrichten, die streikbedingt ausfällt, auf eine sogenannte „direkte Streikarbeit“ gerichtet und damit unzumutbar ist. Gemäß § 11 Abs. 5 AÜG hat der Leiharbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn er bei einem Entleiher eingesetzt werden soll, der von einem Streik betroffen ist. Eine „Umgehung“ des Streiks durch den Entleiherbetrieb ist daher durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht möglich.

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