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Arbeitsrecht Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auf Verlangen der New Yorker Finanzaufsichtsbehörde

Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13.07.2016 – 18 Sa 1498/15

Die Kündigung eines Bank-Mitarbeiters auf Druck der New Yorker Finanzaufsicht (NYDFS) kann unwirksam sein.

Einem Bank-Mitarbeiter wurde auf Verlangen der New Yorker Finanzaufsichtsbehörde (NYDFS) gekündigt. Die Bank hatte die Kündigung damit begründet, dass sie von der Finanzaufsichtsbehörde durch eine Vergleichsverpflichtung (Consent Order) gezwungen wurde, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Nach Einschätzung der Finanzaufsichtsbehörde hatten insbesondere Mitarbeiter der Bankfiliale in Hamburg Zahlungen verschleiert. Bei deren Ausführung über die New Yorker Niederlassung der Bank habe daher nicht kontrolliert werden können, ob die US-amerikanischen Vorschriften zum Iran-Embargo eingehalten wurden. Die Aufsichtsbehörde hatte neben einer hohen Strafzahlung deshalb auch die Entlassung mehrerer Angestellter der Bank in Deutschland verlangt. Damit habe sie Sanktionen gegen einzelne Personen zur Abschreckung durchsetzen wollen, wie sie dies auch bei Aufsichtsmaßnahmen in den USA forderte. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage und stellte einen Weiterbeschäftigungsantrag.

Das Hessische Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam und ließ offen, unter welchen Bedingungen sich eine Bank wegen einer solchen Sanktion darauf berufen kann, ein Arbeitsverhältnis beenden zu müssen, das dem deutschen Recht untersteht. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin nach der Consent Order habe jedenfalls ausdrücklich unter dem Vorbehalt gestanden, dass eine Kündigung durch ein deutsches Gericht überprüft werden könne. Die Kündigung sei nach deutschem Arbeitsrecht nicht gerechtfertigt gewesen. Die bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen für eine so genannte Druckkündigung seien nicht erfüllt, wenn eine Aufsichtsmaßnahme eine Bestrafung bezwecke, die der Arbeitgeber umsetzen müsse.

Die Arbeitgeberin sei jedoch vorerst nicht verpflichtet, den Mitarbeiter tatsächlich zu beschäftigen. Sie hatte gegenüber der Finanzaufsichtsbehörde vertraglich zugesagt, ihren Arbeitnehmer in bestimmten Bereichen nicht mehr einzusetzen, wenn das Arbeitsverhältnis – wegen einer gerichtlichen Entscheidung – fortbestehe. Der klagende Arbeitnehmer konnte durch seinen Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsrechtsstreits keine vorübergehende Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes erreichen, welche bisher von der Arbeitgeberin noch nicht vorgenommen wurde.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Fazit:

Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte dem Arbeitgeber Nachteile androhen, falls er nicht einen bestimmten Arbeitnehmer entlässt. Sie wird, je nach Einzelfall, als betriebs-, verhaltens- oder personenbedingte Kündigung behandelt. Ist das Verlangen objektiv gerechtfertigt, kann die Kündigung begründet sein. Das gilt zunächst dann, wenn der Arbeitnehmer mit einem Fehlverhalten oder Gründen die in seiner Person liegen, den Anlass für die Androhungen des Dritten gegeben hat. Es geht dann um eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung, die im Ermessen des Arbeitgebers steht, also um eine „unechte Druckkündigung“. Die Kündigung wird nicht primär wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes.

Aber auch dann, wenn der betroffene Arbeitnehmer weder durch sein Verhalten noch durch Gründe, die in seiner Person liegen, Anlass für seine Kündigung gegeben hat, kann eine unter dem Druck von Dritten ausgesprochene Kündigung wirksam sein. Die Rede ist dann von einer „echten Druckkündigung“. Wirksam ist sie, wenn der ausgeübte Druck des Dritten als betriebsbedingter Grund eingeordnet werden kann, wie das Bundesarbeitsgericht mit seiner Entscheidung vom 18.07.2013 – 6 AZR 420/12 nochmals konkretisiert hat. Der Druck wird als betriebliches Erfordernis (dringender betrieblicher Grund) verstanden. Im entschiedenen Fall hatte der Insolvenzverwalter auf Wunsch der finanzierenden Bank einem in führender Position tätigen Mitarbeiter des insolvent gewordenen Unternehmens gekündigt. Allerdings muss sich der Arbeitgeber zunächst einmal schützend vor den Arbeitnehmer stellen und alles ihm Zumutbare tun, um Dritte von ihrer Drohung abzubringen (sog. Ultima-ratio-Prinzip). Voraussetzung ist, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat.

Im vorliegenden Fall war die Kündigung gerade nicht das einzig verbliebene Mittel, um auf den Druck des Dritten, der Finanzaufsicht, zu reagieren.

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