Sofortiger Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf

Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.04.2015 – VIII ZR 80/14

Der Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs ist zum sofortigen Rücktritt, ohne dem Händler zuvor die Möglichkeit einer Nacherfüllung gegeben zu haben, berechtigt, wenn sich das gekaufte Fahrzeug entgegen der vereinbarten Beschaffenheit in einem derartigen Zustand befindet, der die Erteilung einer TÜV-Plakette am Tag des Kaufvertrags ohne weiteres erkennbar nicht rechtfertigt und für ihn aufgrund eines nachvollziehbaren Vertrauensverlustes die Nacherfüllung nicht zumutbar ist.

Die Klägerin hatte Anfang August 2012 von dem beklagten Autohändler einen 13 Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 144.000 km zum Preis von EUR 5.000,00 gekauft. Laut Kaufvertrag war „HU neu“ vereinbart. Am Tag des Fahrzeugkaufs war die Hauptuntersuchung (TÜV) durchgeführt und das Fahrzeug mit einer TÜV-Plakette versehen worden. Am Tag nach dem Kauf versagte der Motor mehrmals. Die Klägerin ließ das Fahrzeug daraufhin untersuchen und focht mit Schreiben vom 30.08.2012 den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und erklärte hilfsweise den Rücktritt, unter anderem wegen der bei der Untersuchung festgestellten erheblichen und die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Korrosion an den Bremsleitungen. Der Beklagte bestritt eine arglistige Täuschung und wandte ein, dass die Klägerin ihm keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben habe und der Rücktritt deshalb unwirksam sei.

Der BGH hat der auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichteten Klage der Käuferin stattgegeben. Der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises ergebe sich jedenfalls aus dem von ihr hilfsweise erklärten Rücktritt. Das gekaufte Fahrzeug war mangelhaft, weil es sich entgegen der vereinbarten Beschaffenheit aufgrund der massiven, ohne weiteres erkennbaren Korrosion nicht in einem Zustand befand, der die Erteilung einer TÜV-Plakette am Tag des Kaufvertrags rechtfertigte. Die Klägerin sei deshalb auch ohne vorherige Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt, weil eine Nacherfüllung für sie nach § 440 S. 1 Alt. 3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) unzumutbar war. Angesichts der beschriebenen Umstände habe die Klägerin nachvollziehbar jedes Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Fachkompetenz des beklagten Gebrauchtwagenhändlers verloren und müsse sich nicht auf eine Nacherfüllung durch ihn einlassen. Eine arglistige Täuschung des Beklagten konnte der Bundesgerichtshof jedoch nicht beurteilen. Es fehlten hierzu hinreichende Feststellungen des Berufungsgerichts.

Fazit: Im Kaufrecht hat im Rahmen von Gewährleistungsansprüchen zunächst und grundsätzlich der Käufer dem Verkäufer die Gelegenheit zur Nacherfüllung zu gewähren. Der Gebrauchtwagenhändler darf also bei Auftreten eines Mangels das verkaufte Fahrzeug i. d. R. zunächst einmal reparieren, bevor der Käufer die weiteren Gewährleistungsrechte wie Minderung, Schadensersatz oder den Rücktritt geltend machen kann. Bei Gebrauchtwagenkäufen gibt es jedoch genügend Sachverhalte, bei denen der Käufer das Vertrauen in den Händler verloren hat und diesem daher weder das Fahrzeug überlassen noch eine fachgerechte Reparatur zutrauen möchte. Der Bundesgerichtshof hat nun eine Nacherfüllung in den Fällen für nicht zumutbar erachtet, wenn das Fahrzeug mit „TÜV neu“ verkauft wurde, das Fahrzeug aber nie einen neuen TÜV hätte erhalten dürfen, weil es gar nicht verkehrssicher ist. Solche Fälle sind gar nicht so selten. Es lohnt sich daher, das Fahrzeug (spätestens) nach dem Kauf überprüfen zu lassen.