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Verfahrensfehlerhafter Betriebsratsbeschluss

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.07.2013 – 1 ABR 2/13

Der Erste Senat möchte die Auffassung vertreten, dass die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung nicht zur Unwirksamkeit eines in dieser Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses führt, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen sind, der Betriebsrat beschlussfähig i.S.d. § 33 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen.

Nicht erforderlich sei nach Auffassung des Ersten Senats, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des Siebten Senats (10.10. 2007 - 7 ABR 51/06) ab. Der Erste Senat fragte deshalb nach § 45 Abs. 3 S. 1 ArbGG an, ob der Siebte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über Torkontrollen, die der Vorgängerbetriebsrat mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat. Der neu gewählte Betriebsrat hält diese für unwirksam, weil sie das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer unverhältnismäßig beeinträchtige und verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Zustimmung zu der Betriebsvereinbarung sei in einer Betriebsratssitzung beschlossen worden, zu der ohne Mitteilung einer Tagesordnung geladen worden sei. Dieser Ladungsmangel habe trotz einer einstimmigen Beschlussfassung nicht geheilt werden können, weil nicht alle Betriebsmitglieder anwesend gewesen seien. Das Landesarbeitsgericht hat auf Antrag des Betriebsrats festgestellt, dass diese Betriebsvereinbarung keine Rechtswirkung entfaltet. Über die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin könne seitens des Ersten Senats noch nicht entschieden werden. Zwar ist die Betriebsvereinbarung materiell wirksam, weil die darin geregelten Torkontrollen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen. Ob die gegen § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG verstoßende Ladung zur Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung zur Unwirksamkeit des in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses über die Zustimmung zur Betriebsvereinbarung führt, kann derzeit noch nicht entschieden werden. Nach bisheriger Rechtsauffassung des Ersten und Siebten Senats wäre dies der Fall, weil in der Betriebsratssitzung nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder anwesend waren. Da der Erste Senat dieses Erfordernis aufgeben möchte, fragt er nach § 45 Abs. 3 S. 1 ArbGG an, ob der Siebte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.

Fazit:

Nach bisheriger Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bedarf es für einen wirksamen Betriebsratsbeschluss der Einhaltung der im BetrVG geregelten Formalien. Muss der Arbeitgeber bei seinen Maßnahmen Beteiligungsrechte des Betriebsrats beachten, bleiben nichtige Beschlüsse im Bereich der Mitwirkung grundsätzlich ohne Wirkung. Bei Maßnahmen, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, führt der nichtige Beschluss des Betriebsrats zur Unwirksamkeit der Maßnahme, wobei unter Umständen Vertrauensschutzgrundsätze für den Arbeitgeber oder den einzelnen Arbeitnehmer greifen können. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigt nun, die Anforderungen an einen wirksamen Betriebsratsbeschluss wie vorstehend skizziert zu lockern. Wir halten Sie hier auf dem Laufenden.

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