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Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14.08.2013 – 4 TaBV 4/13 Zustimmungsverweigerung bei unbefristeter Besetzung eines Elternzeitvertretungsarbeitsplatzes

  1. Eine Besorgnis eines unmittelbaren Nachteils i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) liegt auch dann vor, wenn eine Situation, dass zwei Arbeitnehmer um denselben Arbeitsplatz konkurrieren müssen, nicht sofort eintritt, sondern vorhersehbar erst später nach Rückkehr einer sich derzeit in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin, wenn es sich bei der (unbefristet) zu besetzenden Stelle um die einzige Stelle handelt, die der künftig zurückkehrenden Arbeitnehmerin kraft Direktionsrecht angeboten werden könnte.
  2. Bestehen mehrere Arbeitsplätze, die der Arbeitnehmerin nach Rückkehr aus der Elternzeit kraft Direktionsrecht zugewiesen werden dürften, sind aber alle diese Arbeitsplätze unbefristet besetzt, so bedarf es durch Tatsachen begründeter Darlegungen des Arbeitgebers, die die Prognose rechtfertigen, dass sich an dieser Besetzungssituation bis zur Rückkehr der sich in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin etwas ändern wird, anderenfalls stellt die unbefristete Besetzung der Stelle, die vormals die sich in Elternzeit befindliche Arbeitnehmerin innehatte, für diese Arbeitnehmerin einen unmittelbaren Nachteil i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG dar.

Beim Arbeitgeber sind mehr als 600 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Betriebsrat des Arbeitgebers hat die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters F. auf die Stelle der Mitarbeiterin U. verweigert.

Die U. war als „Vertriebssachbearbeiterin Lohndruck“ sowie als Stellvertreterin des Leiters der Druckvorstufe beschäftigt. Sie nahm ab 04.09.2012 für 2 Jahre Elternzeit in Anspruch, somit bis zum 03.09.2014. Sie war in die „Zwischenentgeltgruppe“ (EG) 10 A eingestuft worden, wobei die anwendbaren Entgelttarifverträge lediglich die EG 10 und 11 vorsehen. Der U. wurde aber wegen der Stellvertreterfunktion eine betriebliche Zulage in Form einer „Zwischenentgeltgruppe“ gewährt. Im Betrieb des Arbeitgebers gibt es 18 Arbeitsplätze, die in die EG 10 A eingestuft sind. Diese sind mit Ausnahme der Stelle der U. alle der Produktion oder Druckerei zugeordnet und könnten U. wegen des unterschiedlichen Anforderungsprofils und mangels entsprechender Qualifikation nicht kraft Direktionsrechts zugewiesen werden. Weitere 15 Stellen, die der EG 10 zugeordnet sind, sind unbefristet besetzt.

Als Vertretung der U. für die Tätigkeit des „Vertriebssachbearbeiters Lohndruck“ wurde zunächst bis zum 31.10.2012 befristet der F. eingesetzt. Die Funktion des Stellvertreters des Leiters der Druckvorstufe wurde ihm nicht zugeordnet. Ab 17.12.2012 wollte der Arbeitgeber den F. unbefristet auf die Stelle des „Vertriebssachbearbeiters Lohndruck“, EG 10, versetzen. Der Betriebsrat versagte die Zustimmung zu dieser Versetzung. Er berief sich darauf, dass es im Betrieb keinen anderen geeigneten Arbeitsplatz der EG 10 A gebe, der im Zeitpunkt ihrer Rückkehr der U. zugewiesen werden könnte, so dass bereits jetzt der dann entstehende Arbeitskräfteüberhang vorhersehbar sei.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung nichtersetzt. Zu Recht ist im Rahmen der Zustimmungsverweigerung die mögliche Benachteiligung der U. geprüft worden, denn auch bei einer Arbeitnehmerin in Elternzeit handelt es sich um einen „im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer“ gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. In den Anwendungsbereich fallen grundsätzlich auch ruhende Arbeitsverhältnisse. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich die Besorgnis bejaht, in Folge der unbefristeten Versetzung des F. erleide die U. sonstige Nachteile i.S.d. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Eine auf Tatsachen begründete Besorgnis eines Nachteils für andere Arbeitnehmer des Betriebs, der auf die personelle Maßnahme rückführbar sein muss, ist gegeben mit der unbefristeten Versetzung des F. auf den vormaligen Arbeitsplatz der U. Diese führe dazu, dass F. den einzigen mit U. besetzbaren, mit EG 10 A bewerteten Arbeitsplatz unbefristet innehätte. Kraft Direktionsrechts könnte die U. auf keine der anderen mit EG 10 A bewerteten Stellen versetzt werden. Der maßgebliche Nachteil liege daher bereits in der „Arbeitskräfteüberhang- und Konkurrenzsituation“, die im Rückkehrzeitpunkt entstehe. Dies reicht aus, denn der Nachteil des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ist bereits die nicht unerhebliche Verschlechterung in der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung eines Arbeitnehmers. Auch im Rahmen der Hilfsüberlegung, dass der U. Arbeitsplätze der EG 10 zugewiesen werden könnten, kommt das Landesarbeitsgericht zur Annahme einer Besorgnis eines unmittelbaren Nachteils, denn alle mit EG 10 bewerteten Arbeitsplätze sind unbefristet besetzt.

Fazit: 

Mit der Beendigung der Elternzeit leben die Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis in vollem Umfang wieder auf. In § 15 Abs. 5 S. 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ist explizit nur das Recht gesichert, „zu der Arbeitszeit zurückzukehren, die vor Beginn der Elternzeit vereinbart war“. Enthält der Arbeitsvertrag keine Regelung bezüglich der Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz, was die Regel sein dürfte, muss der Einsatz nach Ende der Elternzeit den sonstigen vertraglichen, betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen entsprechen. Ein Anspruch auf Beschäftigung auf dem identischen früheren Arbeitsplatz besteht nur selten. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes muss dann allerdings in den Grenzen des Weisungsrechts gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) erfolgen. Der Arbeitnehmer, der Elternzeit in Anspruch nimmt, hat damit Anspruch auf Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes. Eine die vertragsgerechte Beschäftigung vereitelnde Entscheidung ist zu unterlassen. Als nicht gleichwertig stellt sich die Zuweisung eines Arbeitsplatzes dar, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Zuweisung Kenntnis davon hat, dass dieser Arbeitsplatz gestrichen werden soll und gegenüber dem aus der Elternzeit zurückkehrenden Arbeitnehmer in der Folge eine Kündigung ausgesprochen würde. Dabei wird den Beschäftigten in § 2 Abs. 5 der EU-Richtlinie 76/207 das Recht zuerkannt, an den früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, entsprechend dem Arbeitsvertrag einer gleichwertigen oder ähnlichen Arbeit zugewiesen zu werden. Dieses Rückkehrrecht ist als Benachteiligungsverbot ausgestaltet, wonach aus der Elternzeit zurückkehrende Arbeitnehmer aufgrund der Abwesenheit gegenüber den anderen Arbeitnehmern nicht anders behandelt werden dürfen. Der vorliegende Fall zeigt, dass bei der Vereitelung oder Erschwerung des Rückkehrrechts mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht aus § 99 BetrVG dem Betriebsrat ein effektives Schutzinstrument zur Verfügung steht.

Zum Erfordernis einer erneuten Zustimmung des Betriebsrats zur nunmehr unbefristeten Versetzung ist weiter an Folgendes zu erinnern: Die zuvor nur befristete Versetzung des F. war mit Ablauf der Befristung erledigt, so dass der Betriebsrat bei einer weiteren – befristeten oder unbefristeten – Versetzung des F. erneut beteiligt werden musste. Verändern sich die Umstände der Beschäftigung aufgrund einer neuen Vereinbarung, ist der Betriebsrat erneut zu beteiligen, denn aus der neuen Vereinbarung können neue Zustimmungsverweigerungsgründe erwachsen.

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