„Das unerkannte Damoklesschwert über der Baustelle“
Zitat Prof. Dr. Lakkis in NZBau 2012, Seite 665 ff.
Zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes haben die Frage aufgeworfen, inwieweit die Lieferung neu hergestellter Baustoffe und deren Einbau über die gesetzliche Vorschrift des § 651 BGB nach Kaufrecht zu beurteilen sind. In der kaufmännisch geführten Baustelle ist dieses Thema von hoher Brisanz, weil ein Kaufmann Mängelgewährleistungsansprüche alleine dadurch verlieren kann, dass er seinen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten gem. § 377 HGB nicht rechtzeitig nachkommt.
Verarbeiter von Baumaterial kennen dieses Problem seit langem. Sie beschaffen die Baustoffe im Regelfall auf der Grundlage eines Handelskaufvertrages und verlieren ihre Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten, wenn sie trotz erkennbarer Mängel das Baumaterial verarbeiten. Dies kann insbesondere im Hinblick auf die dadurch verursachten Mangelfolgeschäden (Rückbaukosten etc.) zu ganz erheblichen Schwierigkeiten führen.
Hinsichtlich der Verträge des Bauherren oder Generalunternehmers mit den Verarbeitern werden im Regelfall Bauverträge auf der Grundlage des Werkvertragsrechts und auf der Grundlage der VOB/B abgeschlossen. Ob und inwieweit die Verträge im Streitfall von einem Gericht tatsächlich nach Werkvertragsrecht behandelt werden hängt u. a. davon ab, ob die Lieferung der Sache (dann Kaufvertrag) oder die Bauleistung als solche (dann Werkvertrag) den Schwerpunkt der vertraglich vereinbarten Leistung darstellt. Dieses Risiko ist naturgemäß bei Ausbauleistungen, insbesondere der technischen Gebäudeausrüstung sehr hoch.
Je nach Problemlage und je nach Vertragsbeteiligung als Auftraggeber oder Auftragnehmer kann sich die fehlerhafte Formwahl (Werkvertrag statt Handelskauf) vorteilhaft oder sehr nachteilig auswirken.
Wir beraten in diesem Spannungsfeld sowohl die Auftraggeber- als auch die Auftragnehmerseite. Da das Risiko des „Scheinwerkvertrages“ latent in jedem einzelnen Vertragsabschluss schlummert, empfehlen wir grundsätzliche Überlegungen anzustellen und erforderlichenfalls individuelle Absicherungen zu vereinbaren.
Bekanntlich können die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB individualvertraglich geregelt oder sogar abbedungen werden…