Keine automatische Festanstellung bei dauerhafter Leiharbeit
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.12.2013 – 9 AZR 51/13
Leiharbeiter, die bei einem entleihenden Unternehmen länger als nur vorübergehend tätig sind, haben keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Festanstellung beim Entleiher.
Die Beklagte zu 1. betreibt Krankenhäuser. Die Beklagte zu 2. ist eine 100%ige Tochter der Beklagten zu 1. und hat eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Sie stellte 2008 den Kläger als IT-Sachbearbeiter ein. Dieser wurde als Leiharbeitnehmer ausschließlich in Einrichtungen der Beklagten zu 1. eingesetzt. Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis besteht. Er sei dieser nicht nur vorübergehend überlassen worden mit der Folge, dass zwischen der Beklagten zu 1. und ihm ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr, soweit für die Revision von Interesse, stattgegeben. Die Revision der beiden Beklagten hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, komme zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, auch wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG fingiere das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. Das Unionsrecht gebe kein anderes Ergebnis vor. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) sehe keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor. Art. 10 Abs. 2 S. 1 der Leiharbeitsrichtlinie überlasse die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG den Mitgliedstaaten und damit dem Gesetzgeber und nicht der Rechtsprechung.
Fazit:
Die Arbeitnehmerüberlassung bedarf der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG hat die Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend zu erfolgen. Erfolgt sie ohne Erlaubnis nach § 1 AÜG, sehen die §§ 9 Nr. 1 und 10 Abs. 1 S. 1 AÜG vor, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, im vorliegenden Fall zwischen der Beklagten zu 1. und dem Kläger zustande gekommen ist. Hierbei ist zu beachten, dass § 9 Nr. 1 AÜG nicht vom Erfordernis der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG ausgeht, sondern von der Erlaubnis nach § 1 AÜG (allgemein), also auch dass die Überlassung nur vorübergehend erfolgen darf. Infolgedessen haben einige Landesarbeitsgerichte entschieden, dass eine Überlassung ohne Erlaubnis vorliegt, wenn diese nicht nur vorübergehend erfolgt, vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 01.08.2013 - 11 Sa 112/13, Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 31.07.2013 - 4 Sa 18/13, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12, Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 22.11.2012 – 11 Sa 84/12. Es ist nicht auszuschließen, dass das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall anders entschieden hätte, wenn die Vorinstanz nicht das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gewesen wäre. Dem Ton der Entscheidung ist zu entnehmen, dass sich das Bundesarbeitsgericht daran erinnert, dass das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 26.9.2013 sich gegen die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Vorbeschäftigungsverbots bei Befristungen ohne Sachgrund stellt. Die Rechtsprechung zur Arbeitnehmerüberlassung bleibt spannend. Die weiteren Entwicklungen bleiben abzuwarten.