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Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.06.2017 – VII ZR 95/16 Ersatz überhöhten Gutachterhonorars wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung

Ein Gutachter, der dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls die Erstellung eines Gutachtens zu den Schäden an dem Unfallfahrzeug zu einem Honorar anbietet, das deutlich über dem ortsüblichen Honorar liegt, muss diesen über das Risiko aufklären muss, dass der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer das Honorar nicht in vollem Umfang erstattet.

Im Rahmen von Kfz Unfällen entsteht mit regelmäßiger Beständigkeit Streit über die Erstattungsfähigkeit von Gutachterhonoraren; mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH nunmehr entschieden, wann und in welchem Umfang den Gutachter Aufklärungspflichten treffen und welche Rechtsfolgen daraus abzuleiten sind.

Sachverhalt (vereinfacht):

Der beklagte Gutachter wurde von dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls mit der Begutachtung der entstandenen Schäden an seinem Kraftfahrzeug beauftragt. Der Geschädigte unterzeichnete eine Honorarvereinbarung, nach welcher ein anhand der Schadenssumme zu berechnendes Grundhonorar sowie die Zahlung von Pauschalbeträgen für bestimmte Nebenkosten vorgesehen waren.

Der beklagte Gutachter erstattete ein Gutachten, welches Reparaturkosten in Höhe von € 2.294,44 netto auswies. Sein Grundhonorar berechnete der Gutachter mit € 680,00 und Nebenkosten in Höhe von € 192,40, insgesamt € 847,40 netto, zuzüglich Umsatzsteuer insgesamt € 1.044,11.

Die (aus abgetretenem Recht) klagende Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers erstattete dem Beklagten € 848,00 und lehnte eine weitere Regulierung ab; ausweislich eines von der Klägerin eingeholten Gutachtens übersteigt das Honorar des Beklagten i. H. v. € 1.044,11 das übliche Honorar für eine vergleichbare Leistung i. H. v. € 392,72.

Hierzu führt der BGH aus:

„Nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB besteht bei Anbahnung eines Vertragsverhältnisses eine Aufklärungspflicht einer Vertragspartei hinsichtlich derjenigen Umstände, die erkennbar für die Willensbildung der anderen Vertragspartei von ausschlaggebender Bedeutung sind und deren Mitteilung zumutbar ist sowie nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen und der Umfang der Aufklärungspflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person oder der anderen Vertragspartei und deren erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder-Unerfahrenheit …

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof eine Aufklärungspflicht des Vermieters von Kraftfahrzeugen bejaht, wenn er einem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten ein Mietfahrzeug zu einem Tarif anbietet, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und deshalb die Gefahr besteht, dass der Haftpflichtversicherer des Geschädigten nicht den vollen Tarif übernimmt.

Ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter gerät durch einen Verkehrsunfall nicht nur unvermittelt, sondern in aller Regel erstmals in eine Situation, ein Schadensgutachten über sein Kraftfahrzeug einholen zu müssen. Wendet er sich an einen Gutachter, der derartige Gutachten zur Einreichung bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer … anbietet, geht er davon aus, dass dieser im Rahmen einer hundertprozentigen Einstandspflicht das Gutachterhonorar in vollem Umfang erstattet. Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem ortsüblichen Honorar, besteht das Risiko, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer die Erstattung teilweise ablehnt, weil die Kosten – bei objektiver Betrachtung – den zur Herstellung erforderlichen Aufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB übersteigen. Der Geschädigte ist in diesem Fall auf eine Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer verwiesen und läuft Gefahr, die Differenz selbst tragen zu müssen. Dieser ihm drohende Nachteil ist dem Besteller eines Schadengutachtens in der Regel nicht bekannt; vielmehr geht er davon aus, dass das Gutachterhonorar in vollem Umfang zu den objektiv erforderlichen Herstellungskosten gehört und von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer akzeptiert wird.

Demgegenüber weiß ein Gutachter, der nach Verkehrsunfällen Schadengutachten über Kraftfahrzeuge zur Einreichung bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer erstellt, dass ein deutlich über dem Ortsüblichen liegendes Honorar zu dem genannten Nachteil führen kann und er weiß auch, dass dies dem Geschädigten in der Regel nicht bekannt ist, sondern dieser davon ausgeht, dass das Gutachterhonorar ohne weiteres in vollem Umfang ersetzt wird. Damit besteht zwischen den Vertragsparteien ein Informationsgefälle. Treu und Glauben gebieten es in einem solchen Fall, dass der Gutachter, der seine Leistungen zu einem Honorar anbietet, das deutlich über dem ortsüblichen Honorar liegt, den (unwissenden) Besteller aufklärt.

Die Aufklärungspflicht richtet sich in einem solchen Fall darauf, den Geschädigten auf das Risiko hinzuweisen, dass der Haftpflichtversicherer das vereinbarte Honorar möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.“

Werden die zuvor erwähnten Aufklärungspflichten vom Gutachter schuldhaft verletzt, bedeutet dies in letzter Konsequenz, dass dem Auftraggeber ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zusteht.

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