Weiterbeschäftigung in ausländischem Betrieb nach betriebsbedingter Kündigung?
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.08.2013 – 2 AZR 809/12
Ein gekündigter Arbeitnehmer kann sich nicht auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers berufen.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Textilindustrie mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Sie hat in der Tschechischen Republik eine Betriebsstätte, in der sie Verbandsstoffe herstellt. Die "Endfertigung" der Stoffe erfolgte in einem am Sitz der Beklagten gelegenen Betrieb in Nordrhein-Westfalen. In diesem Betrieb war die Klägerin seit 1984 als Textilarbeiterin beschäftigt. Im Juni 2011 beschloss die Beklagte, ihre gesamte Produktion in der tschechischen Betriebsstätte zu konzentrieren. In Deutschland sollte lediglich die Verwaltung nebst "kaufmännischem Bereich" bestehen bleiben. Deshalb erklärte die Beklagte gegenüber den an ihrem Sitz beschäftigten Produktionsmitarbeitern, unter anderem auch der Klägerin, eine ordentliche Beendigungskündigung. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe ihr durch den Ausspruch einer Änderungskündigung die Möglichkeit geben müssen, über einen Umzug in die Tschechische Republik zumindest nachzudenken. Die Kündigungsschutzklage blieb – wie in den Vorinstanzen – vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Die aus § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – ggf. im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes sei gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne müsse auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 S. 1, S. 2 KSchG verstanden werden. Ob dies der Berücksichtigung von Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland entgegensteht, falls der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagert, war nicht zu entscheiden. Aufgrund der Verlagerung der "Endfertigung" in die – mehrere hundert Kilometer von ihrem Sitz entfernte – tschechische Betriebsstätte hatte die Beklagte im vorliegenden Fall keine Möglichkeit mehr, die Klägerin in einem inländischen Betrieb weiterzubeschäftigen. Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu erwägen wäre, Arbeitnehmer im Ausland weiterzubeschäftigen, lagen nicht vor.
Fazit:
Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist also im Rahmen der Prüfung, ob die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb besteht, auf die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland abzustellen. Aus dem Wortlaut des KSchG ergibt sich dies allerdings nicht. In § 1 Abs. 2 KSchG heißt es lediglich lapidar: „in einem anderen Betrieb des Unternehmens“. Eine gebietsbezogene Einschränkung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist gerade nicht geregelt. Sie wird jedoch vom Bundesarbeitsgericht zu § 23 Abs. 1 KSchG vorgenommen und nunmehr auf die Regelung des § 1 Abs. 2 S. 1, S. 2 KSchG erstreckt.