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Verbreitung eines Streikaufrufs im Intranet

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.10.2013 – 1 ABR 31/12

Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, einen vom Arbeitgeber für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account (Vorname.Name@Arbeitgeber.de) für die betriebsinterne Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen.

Der an dem Verfahren beteiligte Arbeitnehmer ist Betriebsratsvorsitzender und Mitglied von ver.di. Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus mit 870 Beschäftigten. Nach einer Anordnung der Arbeitgeberin ist die Nutzung ihres Intranets ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehalten. Für den 13.04. 2011 rief ver.di zu einem Warnstreik bei der Arbeitgeberin auf. Diesen Aufruf leitete der Arbeitnehmer über das Intranet der Arbeitgeberin an alle Mitarbeiter weiter und rief diese auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Er signierte die E-Mail mit den Worten: „Für die ver.diBetriebsgruppe“ und fügte seinen Namen an. Die Arbeitgeberin macht wegen der Verletzung des arbeitskampfrechtlichen Neutralitätsgebots aus § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden geltend. Dieser hat sich darauf berufen, er habe nicht als Betriebsratsvorsitzender, sondern als Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe gehandelt. Die Arbeitgeberin habe die Nutzung ihres Intranets für die Verbreitung des Streikaufrufs zu dulden. Wie in den Vorinstanzen war der Antrag der Arbeitgeberin beim Bundesarbeitsgericht erfolgreich. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ergäbe sich zwar aus § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG kein Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin. Dieser folgt jedoch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach kann der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen. Hierfür ist unerheblich, ob dem Arbeitnehmer der dienstlichen Zwecken vorbehaltene Intranetzugang in seiner Funktion als Amtsträger oder unabhängig davon zur Verfügung gestellt wurde. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet gemäß § 1004 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu dulden. Von ihr kann nicht verlangt werden, durch eigene Betriebsmittel die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen sie gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen.

Fazit:

Es besteht immer wieder Streit darüber, welche Betätigung einer Gewerkschaft ein Arbeitgeber in seinem Unternehmen dulden muss. Eine Gewerkschaft hat beispielsweise dann ein Zugangsrecht zum Unternehmen, wenn und soweit sie eine im BetrVG zugewiesene Aufgabe wahrnimmt und soweit der Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben die Unterstützung durch eine Gewerkschaft wünscht. Allerdings ist der Arbeitgeber vor dem Besuch rechtzeitig zu informieren. Er darf den Zutritt der Gewerkschaft jedoch nur dann verweigern, wenn diesem zwingende Erfordernisse des Arbeitsablaufs, des Schutzes von Betriebsgeheimnissen oder zwingende Sicherheitsvorschriften entgegenstehen. Auch darf sich die Gewerkschaft im Betrieb betätigen. Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG). So darf die Gewerkschaft über ihre Tätigkeit im Betrieb unterrichten und Mitglieder werben, Plakate aufhängen, Informationsmaterial verteilen, vor Betriebsratswahlen für unterstützte Bewerber werben oder auch gewerkschaftliche Vertrauensleute bestellen. Demgegenüber sind Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG unzulässig. Der Betriebsrat darf also nicht den Arbeitgeber bestreiken und der Arbeitgeber darf den Betriebsrat nicht aussperren.

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