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Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.06.2013 – C-415/12 Urlaubsdauer bei Wechsel von Voll- zu Teilzeitarbeit

Das einschlägige Unionsrecht, insbesondere Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Paragraf 4 Nr. 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung, ist dahin auszulegen, dass es nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen  entgegensteht, nach denen die Zahl der Tage bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem Verhältnis gekürzt wird, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl der wöchentlichen Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl steht.

Wechselt ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer während des laufenden Urlaubsjahres in eine Teilzeitbeschäftigung, bleiben die während der Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubstage auch dann in vollem Umfang erhalten, wenn die Teilzeitbeschäftigung an weniger Tagen als bisher in der Woche auszuüben ist.

Die Klägerin wechselte mit Wirkung zum 22.12.2011 im Einvernehmen mit der beklagten Arbeitgeberin nach Ablauf der Elternzeit von einer Voll- in eine Teilzeitbeschäftigung und arbeitete nunmehr an drei Tagen in der Woche. Für die Jahre 2010 und 2011 verblieben der Klägerin insgesamt 29 Urlaubstage, die sie aufgrund von Mutterschutz und Elternzeit nicht genommen hatte. Die Beklagte passte die erworbenen Urlaubstage anteilig an die Anzahl der Wochenarbeitstage an und gewährte der Klägerin 17 Resturlaubstage zu (29 : 5 x 3 = 17,4 Tage). Gegen diese Quotierung wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Nienburg. Mit Beschluss vom 04.09.2012 (2 Ca 257/12) legte das Arbeitsgericht Nienburg dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob eine solche Quotierung mit einschlägigem Unionsrecht vereinbar sei.

Der EuGH hält diese Quotierung erworbener Urlaubsansprüche beim Übergang von Voll- zu Teilzeitbeschäftigung für europarechtswidrig. Durch einen solchen Wechsel dürfe einem Arbeitnehmer ein bereits erworbener Urlaubsanspruch nicht verloren gehen. Die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum stehe in keiner Beziehung zu der in der späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit, sodass eine Veränderung, insbesondere eine Verringerung, der Arbeitszeit beim Übergang von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung nicht zu einer Minderung des erworbenen Urlaubsanspruchs führen könne. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub (Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG) sei schließlich ein „besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union“. Der pro-rata-temporis Grundsatz finde nur auf die Gewährung des Jahresurlaubs für die Zeit der Teilzeitbeschäftigung Anwendung, nicht jedoch nachträglich auf einen bereits zur Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbenen Anspruch. Insofern stehen der Arbeitnehmerin nach der Entscheidung des EuGH weiterhin 29 Resturlaubstage zu.

Der EuGH wies jedoch auch darauf hin, dass ein Verlust des Urlaubsanspruchs nur unzulässig sei, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen. Dies war nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt der Fall, denn die Klägerin war aufgrund eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots, des Mutterschutzes und folgender Elternzeit an der Inanspruchnahme des Urlaubs in den Jahren 2010 und 2011 gehindert.

Fazit:

Im deutschen Recht sind die Auswirkungen eines Übergangs von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung für den Urlaubsanspruch nicht geregelt. Bislang war es gängige Praxis, bei einer Verringerung der Anzahl der Wochenarbeitstage den Resturlaubsanspruch entsprechend zu quotieren. Das Bundesarbeitsgericht hielt diese Praxis für zulässig (BAG, Urteil vom 28. April 1998 – 9 AZR 314/97). Wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer, der vorher an fünf Tagen in der Woche gearbeitet hat, künftig nur noch drei Tage in der Woche arbeitete und noch Anspruch auf 20 Tage Resturlaub hatte, wurde dieser Anspruch umgerechnet, so dass der Arbeitnehmer dann nur noch Anspruch auf 12 Tage Urlaub hatte (20:5×3). Er hätte damit die gleichen vier Wochen Urlaub, wie vor der Verringerung der Arbeitszeit.

Der Beschluss des EuGH ist verbindlich somit in Zukunft für die Berechnung der Urlaubstage beim Übergang von Voll- zu Teilzeit maßgeblich. Das gilt allerdings nur für den vierwöchigen Mindesturlaub pro Jahr, der europarechtlich vorgeschrieben ist. Für darüber hinausgehende Urlaubsansprüche können in Tarif- und Arbeitsverträgen abweichende Regelungen vereinbart werden, zum Beispiel auch die oben genannte und für Arbeitnehmer ungünstigere Berechnungsmethode.

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