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Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nach der Verkehrsanschauung

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.2015 – 9 AZR 108/14

Ausbildende haben Auszubildenden gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG (Berufsbildungsgesetz) eine angemessene Vergütung zu gewähren. Maßgeblich für die Angemessenheit ist die Verkehrsanschauung. Wichtigster Anhaltspunkt für diese sind die einschlägigen Tarifverträge. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht mehr angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelte um mehr als 20 % unterschreitet.

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Zweck der Förderung der qualifizierten Berufsausbildung. Dazu schließt er Berufsausbildungsverträge ab. Die Ausbildung der Auszubildenden erfolgt in seinen Mitgliedsbetrieben. Der im September 1990 geborene Kläger bewarb sich im Januar 2008 bei einem solchen Mitgliedsunternehmen um einen Ausbildungsplatz zum Maschinen- und Anlageführer. Der Berufsausbildungsvertrag wurde mit dem Beklagten geschlossen. Die Ausbildung erfolgte in dem Unternehmen, bei dem sich der Kläger beworben hatte. Während des Ausbildungsverhältnisses erhielt der Kläger vom 01.09.2008 bis zum 07.02.2012 nur ca. 55 % der Ausbildungsvergütung nach den Tarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie in Bayern. Mit seiner Klage verlangt er auf der Grundlage der tariflichen Ausbildungsvergütung die Zahlung weiterer EUR 21.678,02 brutto. Die Klage war in allen drei Instanzen erfolgreich. Die vom Beklagten gezahlte Ausbildungsvergütung ist unangemessen, nachdem die Ausbildungsvergütung auch eine Entlohnung der geleisteten Arbeit darstellt. Besondere Umstände, die geeignet sein könnten, trotz des Unterschreitens der tariflichen Ausbildungssätze um fast 50 % die Vermutung der Unangemessenheit der vom Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung zu widerlegen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Beklagte hat solche Umstände auch nicht dargetan. Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG haben Ausbildende Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Maßgeblich hierfür ist die Verkehrsanschauung, bezüglich welcher die einschlägigen Tarifverträge wichtigster Anhaltspunkt sind. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel dann nicht mehr angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelte um mehr als 20 % unterschreitet. Handelt es sich bei dem Ausbildenden um eine gemeinnützige juristische Person, rechtfertigt allein der Status der Gemeinnützigkeit es nicht, bei der Prüfung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung von einer Orientierung an den einschlägigen Tarifverträgen abzusehen. Eine durch Spenden Dritter finanzierte Ausbildungsvergütung, die mehr als 20 % unter den tariflichen Sätzen liegt, ist allerdings noch nicht zwingend unangemessen. Vielmehr kann der Ausbildende die darauf gerichtete Vermutung widerlegen, indem er darlegt, dass besondere Umstände die niedrigere Ausbildungsvergütung rechtfertigen.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht macht die Angemessenheit der Vergütung vom Verhältnis zur Vergütung gemäß einschlägiger Tarifverträge abhängig. Dies gilt sowohl für die Ausbildungsvergütung als auch für die Vergütung im Arbeitsverhältnis. So hat das Bundesarbeitsgericht auch entschieden, dass eine Arbeitsvergütung unangemessen ist, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht. Maßgebend ist der Vergleich mit der tariflichen Stunden- oder Monatsvergütung ohne Zulagen und Zuschläge, wobei auch die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen sind (Bundesarbeitsgericht vom 22.04.2009 – 5 AZR 436/08).

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