Anwendung des Tarifvertrages über ERA-Strukturkomponenten aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahmeklauseln
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.06.2013 – 4 AZR 969/11
Auch ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber kann aufgrund von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln zur Zahlung von weiteren, in Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie vereinbarten "ERA- Strukturkomponenten" verpflichtet sein.
Die Kläger sind bei der nicht tarifgebundenen Beklagten, einem Betrieb der baden-württembergischen Metallindustrie, beschäftigt. In ihren Arbeitsverträgen ist die Anwendung der "Tarifverträge für die Metallindustrie BadenWürttembergs" vereinbart. Die Beklagte zahlte ihnen stets das jeweilige Entgelt nach den Tarifgruppen des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages der Metallindustrie in Baden- Württemberg. Im Jahr 2003 vereinbarten die Tarifvertragsparteien der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg den Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA-TV) sowie ihn begleitende weitere Tarifverträge. Hiernach ist in den Betrieben bis spätestens zum 29.02.2008 ein neues Entgeltsystem einzuführen. Die Tarifregelungen sehen u.a. vor, dass zur Finanzierung der mit der Umstellung verbundenen Kosten ein Teil der vereinbarten Entgeltsteigerungen einem – betrieblichen – "ERAAnpassungsfonds" zuzuführen ist.
Weiter ist in den später vereinbarten "Tarifverträgen über die ERA-Strukturkomponenten" ein Anspruch der Beschäftigten auf Einmalzahlungen zu bestimmten Zeitpunkten geregelt, wenn das "ERA-Entgeltsystem" nicht bis zum 29.02.2008 eingeführt worden ist. Die Beklagte, die zunächst das neue Entgeltsystem einführen wollte und deshalb einen Anpassungsfonds gebildet hatte, setzte dies schließlich nicht um. Die Kläger haben die Einmalzahlungen für den Zeitraum März 2008 bis August 2010 verlangt und die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auch als nicht tarifgebundenes Unternehmen aufgrund der Bezugnahmeklauseln zur Einführung des ERA-Entgeltsystems bis zum 29.02.2008 verpflichtet gewesen. Weil dies nicht erfolgt sei, bestehe ein Anspruch auf die Einmalzahlungen ("Strukturkomponenten"). Das Arbeitsgericht hatte den Zahlungsklagen stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hatte sie abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat den Revisionen der klagenden Parteien stattgegeben. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts haben sie einen Anspruch auf die begehrten "Strukturkomponenten". Die Beklagte sei aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklauseln verpflichtet gewesen, jedenfalls die Inhaltsnormen des ERA-TV bis zum 29.02.2008 in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen umzusetzen. Das Bundesarbeitsgericht hat jeweils den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil noch nicht geklärt war, ob die klagenden Parteien die Ausschlussfristen für die geltend gemachten Ansprüche gewahrt haben.
Fazit:
Grundsätzlich ist es möglich die Anwendung von Tarifverträgen in das Arbeitsverhältnis einzubeziehen durch sogenannte Bezugnahmeklauseln. Deren Formulierung ist jedoch mit Bedacht zu wählen. Je nach Formulierung ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen, insbesondere bei der Kündigung des Tarifvertrages, Austritt aus dem Verband in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters. Zwar können die Arbeitsvertragsparteien jederzeit die Anwendbarkeit der Tarifverträge durch Änderung des Arbeitsvertrages aufheben. Jedoch bedarf es hierzu der Zustimmung beider Vertragsparteien. Eine Bezugnahmeklausel kann daher – wie im vorliegenden Fall – weitreichende, insbesondere finanzielle Konsequenzen haben.