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Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten nach Verkehrsunfall

Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 Leitsatz

Zur Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall.

Die Parteien streiten um den Ersatz restlicher Sachverständigen- und Anwaltskosten infolge eines Verkehrsunfalls, für dessen Schäden die Beklagte zu 100% haftet. Der Kläger holte ein Kfz-Schadensgutachten ein, demgemäß der erforderliche Reparaturaufwand rund EUR 1.050,00 zzgl. USt. beträgt. Für die Erstattung des Gutachtens stellte der Sachverständige dem Kläger einen Betrag von EUR 534,55 in Rechnung. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten regulierte die Kosten in Höhe von EUR 390,00. Der Restbetrag von EUR 144,55 ist Gegenstand der Klage. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht die Beklagte unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung weiterer Gutachterkosten in Höhe von EUR 56,90 sowie weiterer vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 43,31, jeweils nebst Zinsen, auf Basis der Ergebnisse der Befragung zur Höhe des KfzSachverständigenhonorars 2010/2011 durch den Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. – BVSK verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter. Der Bundesgerichtshof hat die vom Berufungsgericht zugesprochenen Rechtsverfolgungskosten bestätigt. Hinsichtlich der Gutachterkosten hat er das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Kläger durfte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und kann von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Erforderlich seien diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Soweit der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, sei er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlange vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Vom Geschädigten könne nicht verlangt werden, dass er Verzicht übe oder Anstrengungen mache, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen würden. Dem Geschädigten solle bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen. Die Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, erfordere eine subjektbezogene Schadensbetrachtung. Dabei sei Rücksicht zu nehmen auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf gerade für ihn bestehende Schwierigkeiten. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen dürfe sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er müsse nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Nach diesen Grundsätzen sei die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung der vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten nicht zu vereinbaren. Es durfte nicht die dem Kläger vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes kürzen. Nur wenn der Geschädigte erkennen könne, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige eine Vergütung verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt, gebiete das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Solche Umstände seien nicht festgestellt.

Fazit:

Bei der Unfallschadensregulierung verweigern Versicherer nicht selten den vollen Schadensausgleich mit dem Einwand, dass der Geschädigte gegen das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verstoßen habe, weil er keine kostengünstigere Möglichkeit zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommen hat. Der Bundesgerichtshof hat unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung nochmals zusammenfassend klargestellt, dass der Geschädigte im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Nur wenn für den Geschädigten erkennbar ist, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, muss er einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen beauftragen. Der Bundesgerichtshof hat zudem zur Darlegung der Erforderlichkeit der Herstellungskosten darauf hingewiesen, dass der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen genüge. Die tatsächliche Rechnungshöhe bilde bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reiche grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen.

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