"Fiktive" Schadensabrechnung bei Verkehrsunfall - Erstattungsfähigkeit von Sozialabgaben und Lohnnebenkosten
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 19.02.2013 – VI ZR 69/12 und VI ZR 401/12
Bei einer (fiktiven) Schadensabrechnung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB umfassen die erforderlichen Reparaturkosten auch allgemeine Kostenfaktoren wie Sozialabgaben und Lohnnebenkosten.
Die Klagepartei macht in beiden Fällen gegen den beklagten Haftpflichtversicherer Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls geltend. Ihr Pkw wurde beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten ist im Grunde nach unstreitig. Die Klagepartei rechnete auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens den Nettoreparaturaufwand ab. Darin sind Lohnkosten enthalten. Die Beklagte zog bei Regulierung des Schadens Pauschalbeträge für nicht angefallene Sozialabgaben und Lohnnebenkosten aus der Position Lohnkosten ab. Sie stellte sich auf den Standpunkt, diese Kosten seien ja schließlich nicht abgeführt worden und daher tatsächlich nicht angefallen. Das Gericht der I. Instanz sowie das Berufungsgericht haben die Beklagte in vollem Umfang verurteilt. Ihre Einwendungen, es seien Abzüge bei der fiktiven Reparaturkostenabrechnung notwendig, blieben unbeachtet. Der BGH teilt diese Auffassung. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass Sozialabgaben und Lohnnebenkosten Bestandteile des zu erstattenden Schadens nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB seien, auch wenn es um eine „fiktive“ Schadensabrechnung auf der Basis eines Gutachtens geht. Der Geschädigte dürfe der fiktiven Schadensberechnung grundsätzlich die üblichen Stunden für Rechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Die Berücksichtigung fiktiver Sozialabgaben und Lohnnebenkosten zugunsten des Geschädigten widerspricht weder dem Wirtschaftlichkeitsgebot noch dem Bereicherungsverbot. Zu den Wiederherstellungskosten seien auch allgemeine Kostenfaktoren wie Umsatzsteuer, Sozialabgaben und Lohnnebenkosten zu rechnen.
Fazit:
Nach der neuen Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei fiktiver Schadensabrechnung im Fall der Beschädigung von Sachen Umsatzsteuer nicht verlangt werden. Die Umsatzsteuer ist in diesen Fällen nur dann erstattungspflichtig, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. § 249 Abs. 2 BGB beschränkt allerdings die Regelung des Schadensersatzes statt der Herstellung auf die in der Vorschrift ausdrücklich genannten Fälle der Verletzung einer Person oder Beschädigung einer Sache (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB). Deshalb gibt es bei der Beschädigung der Sache die Umsatzsteuer nur, wenn sie tatsächlich bezahlt wird (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB). Sozialabgaben und Lohnnebenkosten bleiben jedoch auch bei einer fiktiven Schadensabrechnung, also wenn das Fahrzeug nicht repariert wird und diese Kosten daher eigentlich nicht anfallen, erstattungsfähig.