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Emojis im Rechtsverkehr, Messengerdienste WhatsApp & Co Digitalisierung ja – nur bitte nicht im Rechtsverkehr? WhatsApp-Nachrichten und das Schriftformerfordernis nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B

Die Entscheidung des OLG Frankfurt beschäftigt sich mit der Frage, ob eine via WhatsApp übermittelte Mängelrüge die nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 VOB/B vorgeschriebene Schriftform wahrt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Schriftform per Kurznachrichtendienst WhatsApp nicht gewahrt wird.

Im konkreten Fall hatte die Auftraggeberin den Auftragnehmer im Jahr 2012 unter Einbeziehung der VOB/B mit diversen Werkdienstleistungen beauftragt. Zwei Jahre später, im Jahr 2014 hatte die Auftraggeberin dem Auftragnehmer eine Nachricht über den Messenger-Dienst WhatsApp zukommen lassen, in der sie auf einen Mangel hinwies und den Auftragnehmer bat, sich diesen genauer anzusehen. Dieser antwortete mit „Ok“ und begutachtete daraufhin die Baustelle. In der Berufungsinstanz begehrte die Auftraggeberin Ersatz für die Kosten der Dachsanierung. Der Auftragnehmer berief sich auf die Einrede der Verjährung.

Strittig war, ob die vorherige Kommunikation via WhatsApp ausreichte, um die Verjährungsfrist gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B zu hemmen. Die Vorschrift besagt, dass die Verjährung bei einer schriftlich erhobenen Mängelrüge gehemmt wird. Eine Gewährleistungsfrist kann sich demnach um bis zu 2 Jahre verlängern, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer zur Beseitigung eines Mangels aufgefordert hat, § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B („Quasi-Neubeginn“ der Verjährung). Die Aufforderung muss jedoch schriftlich erfolgen.

Fraglich war demnach, ob das Schriftformerfordernis durch eine Nachricht via WhatsApp im Sinne dieser Regelung gewahrt werden konnte.

Das OLG Frankfurt urteilte, der Schriftform sei nicht genüge getan und wies die Ansprüche der Klägerin auf Grundlage der Einrede der Verjährung zurück. Demnach genüge eine WhatsApp-Nachricht den Anforderungen des Schriftformerfordernisses nicht.

Das OLG Frankfurt ist der Ansicht, dass eine Erklärung mittels WhatsApp-Nachricht keine „telekommunikative Übermittlung“ i.S.d. § 127 Abs. 2 BGB darstelle. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es zur telekommunikativen Übermittlung einer Erklärung bedürfe, die in gleicher Art wie ein Schriftstück in einer die Übergabe eines Schriftstückes ersetzenden Art an den Erklärungsempfänger übermittelt werde. Es müsse erkennbar sein, von wem die Erklärung abgegeben worden sei und der Empfänger müsse in der Lage sein, das Schriftstück auszudrucken oder abzuspeichern. All diese Voraussetzungen erfülle eine WhatsApp-Nachrichten nicht.

Zur Begründung wird weiter ausgeführt, es fehle unter anderem an der Archivierungsfähigkeit, da Nachrichten über WhatsApp typischerweise nicht dauerhaft und sicher archivierbar seien, weil WhatsApp hauptsächlich auf dem Smartphone genutzt würde. Dies stünde im Gegensatz zu E-Mails, die sich ausdrucken und dauerhaft speichern lassen.

Des Weiteren sei die Identifizierbarkeit des Absenders nicht gewährleistet. WhatsApp-Nachrichten böten keine hinreichende Sicherheit bezüglich der Identität des Absenders, da die Registrierung lediglich an eine Telefonnummer gekoppelt ist. Der Absender sei dadurch nicht unzweideutig identifizierbar.

Auch der Warnfunktion der Schriftform sei nicht genüge getan. Die Schriftform solle dem Absender die Bedeutung seiner Erklärung verdeutlichen und diesen vor übereilten Entscheidungen schützen. Der Kurznachrichtendienst WhatsApp würde jedoch vorwiegend für informelle und emotionale, insbesondere private Kommunikation genutzt, was diese Funktion nicht gewährleiste. Die typische Art der Benutzung stünde daher dieser Warnfunktion, insbesondere dem Bewusstsein für rechtliche Konsequenzen beim Nutzer entgegen.

WhatsApp-Nachrichten erfüllen daher laut OLG Frankfurt das Schriftformerfordernis nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B nicht. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Mängelrügen und die damit einhergehende Hemmung von Verjährungsfristen.

Die Begründung des OLG vermag zwar nicht vollends überzeugen, dennoch sollten für rechtsgeschäftliche Erklärungen stets geeignete Kommunikationsmittel verwendet werden, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

Bereits nach der Gesetzesbegründung liegt eine telekommunikative Übermittlung einer Erklärung gem. § 127 BGB vor, wenn diese nicht rein sprachlich erfolgt, sondern lesbar ist und im Wege der digitalen Datenübermittlung vorgenommen wird.

Diese Voraussetzungen sind aber im Wege einer Nachricht via WhatsApp erfüllt. Eine WhatsApp-Nachricht kann auch als Textdatei heruntergeladen und ausgedruckt werden, zumal WhatsApp selbstverständlich auch rein geschäftlich verwendet werden kann. Auch der Vergleich, welchen das Gericht abgrenzend zur E-Mail vornimmt, hinkt. Selbstverständlich kann auch der Absender von E-Mails nicht unmittelbar erkennbar sein, zumal E-Mails ebenso gelöscht werden können.

Die Entscheidung verdeutlicht im Ergebnis aber die hohe Relevanz des Schriftformerfordernisses in der bau- und zivilrechtlichen Praxis. Die Nutzung moderner Kommunikationsmittel wie WhatsApp mag im Alltag praktisch erscheinen, ist jedoch für rechtlich bindende Erklärungen unter Umständen ungeeignet. Insbesondere Architekten, Bauunternehmer und Auftraggeber sollten darauf achten, dass Mängelrügen stets in einer Form erhoben werden, die die Anforderungen an die Schriftlichkeit wahrt.

nicht so jedoch das OLG München…

Das Oberlandesgericht München hat hingegen mit seinem Urteil vom 11. November 2024 (Az. 19 U 200/24) eine in den technischen Grundsätzen gegenteilige Entscheidung zur Rolle von Messengerdiensten im Vertragsrecht getroffen. Im Mittelpunkt standen Fragen zur Lieferverzögerung bei einem Luxusfahrzeug, die Bedeutung von WhatsApp-Nachrichten bei der Wahrung der Schriftform und die rechtliche Auslegung von Emojis. Die Entscheidung spricht schon in den Leitsätzen meiner Meinung nach ein moderneres Verständnis zur Messengerkommunikation im Rechtsverkehr aus. Diese lauten:

1. Textnachrichten oder Attachments in Gestalt von Textverarbeitungs- oder PDF-Dateien oder ausreichend guter Fotos per WhatsApp wahren bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Schriftform die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies gilt nicht bei WhatsApp-Sprachnachrichten oder Video- oder Audio-Attachments.

2. Eine Willenserklärung kann auch mittels Zeichen kundgetan werden, d.h. auch durch digitale Piktogramme - wie Emojis. Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist eine Frage der Auslegung.

3. Faktoren wie Nationalität und Muttersprache, kultureller Hintergrund sowie Alter, Geschlecht oder Persönlichkeitsstruktur können sowohl die Nutzung als auch das Verständnis von Emojis beeinflussen.

4. Emojis bergen die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen, weil die konkret verwendeten Symbole möglicherweise auf einem spezifischen "Emoji-Soziolekt" beruhen, der bloß innerhalb einer bestimmten Gruppe existiert.

5. Zu Bestimmung des Bedeutungsgehalts von Emojis kann der Rechtsanwender gegebenenfalls Emoji-Lexika zurate ziehen. Hinweise auf das Verständnis eines Emojis können auch aus dem Begleittext folgen.

Das Gericht hat dazu Feststellungen getroffen, die sich größtenteils nicht mit denen des Urteils des OLG Frankfurt in Einklang bringen lassen.

Nach § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB kann demnach eine vereinbarte Schriftform auch durch elektronische Kommunikation gewahrt werden, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde. Textnachrichten per WhatsApp können daher die gewillkürte Schriftform erfüllen, sofern sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

• Dauerhafte Speicherung:

WhatsApp-Nachrichten sind nach den Funktionen und Schnittstellen der App durch Backups oder Exportmöglichkeiten speicherbar.

• Erkennbarkeit des Absenders:

Die Identität des Absenders muss eindeutig erkennbar sein, also wie etwa durch die Telefonnummer oder die Nachricht selbst.

• Textbasierte Inhalte:

Nur schriftliche oder textbasierte Nachrichten (einschließlich PDF-Dateien oder Fotos) erfüllen die Schriftform. Sprachnachrichten oder Video-Attachments genügen hingegen nicht.

Das OLG München bestätigte auf dieser Grundlage und mit diesen Einschränkungen, dass WhatsApp-Nachrichten grundsätzlich die Voraussetzungen der Schriftform erfüllen können.

Emojis im Rechtsverkehr:

Emojis, die fester Bestandteil der digitalen Kommunikation sind, können rechtlich als Teil einer Willenserklärung betrachtet werden. Ihre Auslegung erfolgt nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts (§§ 133, 157 BGB). Entscheidend ist demnach, wie ein verständiger Empfänger die Nachricht im konkreten Kontext verstehen durfte.

Beide Entscheidungen weisen offenkundig eine erhebliche Relevanz für die Praxis auf. Im Rahmen der digitalen Kommunikation im Rechtsverkehr ist daher Vorsicht geboten. Bis eine einheitliche Rechtsprechung vorliegt sind die Kommunikationswege möglicherweise schon wieder weiterentwickelt. Es bleibt also spannend…

Sollten Sie nähere Rechtsfragen zum digitalen Rechtsverkehr oder in Verjährungsangelegenheiten haben, stehen wir Ihnen mit unserem Beraterteam gerne zur Verfügung.

Als erste Ansprechpartner stehen Ihnen Frau Rechtsanwältin Bauer und die Herren Rechtsanwälte Lange und Hartmann jederzeit gerne zur Verfügung

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