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Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms

Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.06.2014 – VI ZR 281/13

Ein Radfahrer, der ohne Helm fährt, trägt bei einem unverschuldeten Unfall keine Mitschuld an erlittenen Kopfverletzungen.

Die Klägerin fuhr im Jahr 2011 mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer innerstädtischen Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Fahrerin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, sodass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer geltend. Das Oberlandesgericht hatte der Klägerin ein Mitverschulden von 20% angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führe entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer sei das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar könne einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lasse, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflege. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein habe es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben.

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dürfte auch Auswirkungen auf andere Unfallkonstellationen haben. Beispielsweise haben einige Oberlandesgerichte (z.B. Landgericht Tübingen vom 10.12.2013 – 5 O 80/13, Landgericht Köln vom 15.05.2013 – 18 O 148/08, Brandenburgisches Oberlandesgericht vom 23.07.2009 – 12 U 29/09, Oberlandesgericht Düsseldorf vom 20.02.2006 – I-1 U 137/05) Motorradfahrern ein Mitverschulden angelastet, weil sie nur mit Turnschuhen und nicht mit richtigen Motorradstiefeln bekleidet oder nicht mit einer „sturztauglichen“ Motorradjacke oder hose unterwegs waren. Es bleibt dann jedoch zu prüfen, ob ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Unfallzeitpunkt hinsichtlich des Tragens bestimmter Schutzkleidung bestanden hat.

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