Schwerbehinderung: Benachteiligung im Bewerbungsverfahren ist darzulegen
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.2013 - 8 AZR 180/12
Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist. Die schwerbehinderte Klägerin war seit 1996 als Büro- und Schreibkraft im Bundespräsidialamt tätig. Nach längerer Erkrankung wurde im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Dezember 2009 festgelegt, dass sie möglichst die Beschäftigungsdienststelle wechseln solle. Das Bundespräsidialamt wandte sich daraufhin auch an den Deutschen Bundestag, ob diese – nicht namentlich genannte – Angestellte dort eingesetzt werden könne. Im Juni 2010 schrieb der Deutsche Bundestag eine Stelle als Zweitsekretärin/ Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages aus. Auf diese Stelle bewarb sich die Klägerin, die über die geforderte berufliche Ausbildung verfügt, und verwies auf ihre Schwerbehinderung. An dem am 20.08.2010 stattgefundenen Vorstellungsgespräch nahmen die Klägerin und für den Deutschen Bundestag über zehn Personen teil, u. a. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten. Am 01.09.2010 erhielt die Klägerin eine Absage ohne Angabe von Gründen. Nach der Ankündigung der Klägerin, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, teilte ihr der Deutsche Bundestag am 10.12.2010 mit, dass die Ablehnung in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen. Die Entschädigungsklage blieb, wie schon in den Vorinstanzen, vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hat die Klägerin keine Indizien vorgetragen, die die Vermutung zulassen, ihre Bewerbung sei wegen ihrer Schwerbehinderung erfolglos geblieben. Zwar habe die Beklagte die Gründe für die Ablehnung der Klägerin zunächst nicht dargelegt. Dazu wäre sie jedoch nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nur verpflichtet gewesen, wenn sie der Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX nachgekommen wäre. Das habe die Klägerin nicht dargelegt. Auch die weiteren, von der Klägerin angeführten Tatsachen stellten keine Indizien dafür dar, dass sie wegen ihrer Behinderung bei der Bewerbung unterlegen sei. Auch der Ablauf des Vorstellungsgespräches lasse diesen Schluss nicht zu.
Fazit:
Im Rahmen der Geltendmachung einer Entschädigung genügt es nicht, sich auf ein Merkmal nach § 1 AGG (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Orientierung) zu berufen. § 22 AGG verlangt, dass Indizien vorgetragen werden, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Allein die Zugehörigkeit zu einer durch das AGG geschützten Gruppe oder Behauptungen „ins Blaue hinein“ vermögen einen Entschädigungsanspruch wegen unzulässiger Diskriminierung nicht zu stützen. Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie hätte daher weitere Indizien vortragen müssen, welche die Vermutung zugelassen hätten, sie sei letztlich wegen ihrer Behinderung abgelehnt worden. Diese Indizien reichen aber bereits aus, um eine Benachteiligung vermuten zu lassen, vgl. BAG vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11. Der Arbeitgeber muss dann wiederum darlegen und beweisen, dass die ablehnende Entscheidung nicht aufgrund einer Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG erfolgte. Das dürfte bisweilen schwer fallen.