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Und noch einmal: Freiwilligkeitsvorbehalt - Unklarheitenregel

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.04.2013 – 10 AZR 281/12

Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung für das Jahr 2010. Die Klägerin ist seit dem 01.04.1999 bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

§ 3 Für die Tätigkeit erhält die Mitarbeiterin während der Probezeit ein Bruttogehalt von monatlich DM 3.800,00 einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Nach der Probezeit beträgt das Bruttogehalt monatlich DM 4.000,00 einschließlich der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Mit der Gehaltszahlung sind eventuelle Überstunden abgegolten. Die Bezüge werden zum Ende eines jeden Monats bargeldlos gezahlt. Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“

Am 06.07.1999 vereinbarten die Parteien folgendes:

Die Probezeit von sechs Monaten wird verkürzt auf vier Monate und endet somit zum 30.07.1999. Die Mitarbeiterin erhält ab o. g. Datum ein mtl. Bruttogehalt von DM 4.000,00. Des Weiteren wird vereinbart, dass das 13. Monatsgehalt in Höhe von DM 4.000,00 voll gezahlt wird.“

Im Zusammenhang mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte haben die Parteien am 1. Juli 2005 vereinbart:

„Die Bestimmungen des Arbeitsvertrags vom 29.03.1999 zwischen Frau D und der A GmbH gelten unverändert für das neue Arbeitsverhältnis zwischen Frau D und der A GmbH & Co. KG fort. Insbesondere wird der soziale Besitzstand gewahrt.“

Die Klägerin hat in den Jahren 1999 bis 2003 mit der Gehaltsabrechnung für November ein „Weihnachtsgeld“ und in den Jahren 2004 bis 2009 eine „freiwillige Leistung“ in Höhe eines Novembergehalts erhalten. Sie ist zum 31. Dezember 2010 bei der Beklagten ausgeschieden. Für das Jahr 2010 hat die Klägerin keine Sonderzahlung erhalten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht. Die Klägerin habe bereits aus dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Zahlung eines 13. Gehalts. Der Anspruch folgt aus § 3 S. 5 des Arbeitsvertrags. Es handelt sich bei der getroffenen Regelung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die Auslegung von § 3 S. 5 des Arbeitsvertrags lässt mehrere Ergebnisse vertretbar erscheinen. Denkbar ist, dass unmittelbar ein vertraglicher Anspruch auf ein 13. Gehalt begründet worden ist, entsprechend: „Es wird ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt, wobei die Leistung anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“ Ein Vorbehalt besteht ausdrücklich nur insoweit, als das 13. Gehalt anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann. Daraus mag für den durchschnittlichen Vertragspartner folgen, dass der Verwender sich die Entscheidung über die Aufteilung, nicht aber über das „Ob“ einer Zuwendung vorbehalten hat. Auch deren Höhe ist mit der Bezeichnung „13. Gehalt“ eindeutig bestimmbar. Unerheblich ist, dass die Zahlung eines 13. Gehalts als „freiwillige Leistung“ der Firma bezeichnet wird. Damit wird - jedenfalls unmissverständlich - nur zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist. Der Hinweis „freiwillig“ genügt für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen. Gegen vorstehendes Verständnis der Klausel könnte allerdings sprechen, dass im Arbeitsvertrag nur die Zahlung „eines“ und nicht „des“ 13. Gehalts vereinbart ist. Die Verwendung eines unbestimmten Artikels in diesem Regelungszusammenhang lässt eine Auslegung vertretbar erscheinen, dass mit § 3 S. 5 des Arbeitsvertrags ein vertraglicher Anspruch nicht unmittelbar begründet werden sollte, etwa: „Die etwaige Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung …“ bzw. „Es kann ein 13. Gehalt als freiwillige Leistung der Firma gezahlt werden …“ Es bestehen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung, beide Auslegungsergebnisse sind nicht fernliegend. Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel zulasten des Verwenders. Damit greift die für die Klägerin günstigere Auslegung.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass allein das Wort „freiwillig“ nicht dazu führt, dass eine vom Arbeitgeber zugesagte Leistung nicht rechtlich bindend vereinbart wurde. Es muss klar zum Ausdruck kommen, dass mit einer etwaigen Leistung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet werden soll. Es ist daher nochmals ausdrücklich festzuhalten, dass die Formulierung eines Freiwilligkeitsvorbehalts besonderer Sorgfalt und Beachtung der aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung bedarf.

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