Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14
Eine Kündigung ist auch in einem Kleinbetrieb unwirksam, wenn bei der Kündigung einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) zu vermuten ist und es dem Arbeitgeber nicht gelingt, diese Vermutung zu widerlegen.
Die am 20.01.1950 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 16.12.1991 als Arzthelferin beschäftigt. Bei der Beklagten waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.05.2013 zum 31.12.2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Ergänzend argumentierten sie, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt". Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Die Beklagte führt aus, dass die lediglich freundlich und verbindlich formulierte Kündigung wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt sei. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Vor dem Bundesarbeitsgericht war die Klägerin hingegen erfolgreich. Die Kündigung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG und sei deshalb unwirksam. Die Beklagte habe keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der "Pensionsberechtigung" zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliege. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zustehe, könne noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Fazit:
Hat ein Betrieb nicht mehr als 10,0 Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat, ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar. Eine Kündigung muss dann zwar nicht sozial gerechtfertigt sein, also auf verhaltensbedingte, personenbedingte oder dringende betriebliche Gründe gestützt werden. Gleichwohl darf sie nicht willkürlich sein oder gegen ein Gesetz verstoßen. Nun hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG verstoßende Kündigung nicht nur einen Anspruch auf Entschädigung begründet, sondern obendrein unwirksam ist, also ein Arbeitsverhältnis nicht wirksam beenden kann.