Betriebsübergang - Wechsel des Betriebsinhabers
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.09.2012 - 8 AZR 826/11
Bei dem Übergang eines betriebsmittelgeprägten Betriebes kommt dem Übergang der Nutzungsmöglichkeit der Betriebsmittel im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung wesentliches Gewicht zu. Der Betriebsmittelübernehmer muss die Betriebsmittel tatsächlich weiter oder wieder nutzen. Der bisherige Betriebsinhaber muss die Nutzung der Betriebsmittel im Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Der Abschluss eines Kooperationsvertrags zwischen bisherigem Inhaber und späterem Betriebserwerber stellt nicht notwendig einen solchen Betriebsinhaberwechsel dar.
Die Parteien streiten um Entgeltansprüche aus übergegangenem Recht. Die klagende Bundesagentur für Arbeit hat Insolvenzgeld an die Arbeitnehmer der früheren Betriebsinhaberin gezahlt und geht nun gegen die Beklagte als angebliche Betriebserwerberin vor.
Die frühere Betriebsinhaberin und spätere Insolvenzschuldnerin hatte im März 2007 mit der Beklagten einen Alleinvertriebs- und Kooperationsvertrag vereinbart, gemäß welchem die Beklagte den Vertrieb der im Betrieb der späteren Insolvenzschuldnerin hergestellten Produkte übernahm. Die spätere Insolvenzschuldnerin zahlte für die Zeit von März 2007 bis Mai 2007 keine Gehälter mehr an ihre Arbeitnehmer aus. Am 29. Mai 2007 wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Am 31. Mai 2007 wurden die 29 Arbeitnehmer des Betriebes zu fristlosen Kündigungserklärungen veranlasst. Die Klägerin zahlte dann rückwirkend bis März 2007 Insolvenzgeld. Im Verlauf des Monats Juni 2007 nahm die Beklagte die Produktion im Betrieb der Insolvenzschuldnerin wieder auf, wobei sie sukzessive bis Mitte Juni 2007 18 Arbeitnehmer, die früher bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt worden waren, einstellte.
Wie schon in der Vorinstanz blieb die Klage auch vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Da vorliegend keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der von den Arbeitnehmern des Betriebes selbst ausgesprochenen Kündigungen bestanden, kam es darauf an, ob schon vor dem 31. Mai 2007 ein Betriebsübergang stattgefunden hatte und somit die gegenüber der bisherigen Betriebsinhaberin ausgesprochenen Eigenkündigungen ins Leere gingen. Ein Betriebsinhaberwechsel hat jedoch nicht vor Juni 2007 stattgefunden. Der mit der früheren Betriebsinhaberin und nachmaligen Insolvenzschuldnerin abgeschlossene Kooperationsvertrag stellte keinen Betriebsinhaberwechsel dar.
Fazit:
Ein Betriebs(teil-)übergang kann bereits dann vorliegen, wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übernommen wird. Dabei genügt es, dass die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren erhalten bleibt. Eine bloße Funktionsnachfolge stellt hingegen noch keinen Betriebsübergang dar. Daher ist im Rahmen der Übernahme von Produktionsteilen stets zu prüfen, ob nicht bereits ein Betriebsübergang vorliegt mit der Folge, dass Kündigungen, die wegen des Betriebsübergangs erfolgen, unwirksam sind. Weitere Problemstellungen ergeben sich dann im Hinblick auf die zwingend zu erfolgende Unterrichtung der Arbeitnehmer über den Betriebs(teil-)übergang.