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Insolvenzanfechtung von im Wege des Bargeschäfts erfolgten Lohnzahlungen

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.2014 – 6 AZR 345/12

Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der Frage der Wirksamkeit einer Insolvenzanfechtung von noch vor der Insolvenzeröffnung erfolgten Gehaltszahlungen befasst.

Die Beklagte war bis zum 31.12.2007 bei der Schuldnerin als Alleinbuchhalterin beschäftigt. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf den Antrag vom 10.08.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin war seit Anfang 2007 zahlungsunfähig. Die Beklagte erhielt gleichwohl wie alle Arbeitnehmer der Schuldnerin ihr Entgelt stets zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlt. Der Kläger begehrt unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung die Rückzahlung des für die Zeit von Januar 2007 bis Juli 2007 gezahlten Nettoentgelts von Euro 10.023,30 zur Insolvenzmasse. Er hat geltend gemacht, auch bei Gehaltszahlungen an Arbeitnehmer im Wege des Bargeschäfts lägen bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung vor. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Die Anfechtungstatbestände in §§ 129 ff. InsO (Insolvenzordnung) ermöglichen es dem Insolvenzverwalter, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Schmälerungen der Insolvenzmasse rückgängig zu machen. Nach § 133 InsO können in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Entgeltzahlungen angefochten werden, wenn der Arbeitgeber mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt hat und der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung diesen Vorsatz kannte. Eine solche sog. Vorsatzanfechtung ist auch möglich, wenn das Entgelt als Gegenleistung für die in engem zeitlichen Zusammenhang erbrachte gleichwertige Arbeitsleistung gezahlt wird und damit ein sog. Bargeschäft i.S.d. § 142 InsO vorliegt. Ob der Arbeitgeber mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat und der Arbeitnehmer davon Kenntnis hatte, kann nur aus Indizien hergeleitet werden. Ein Indiz von besonderer Bedeutung ist die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Allerdings sind die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr muss auch dieses Indiz einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Erfolgt die Entgeltzahlung im Wege des Bargeschäfts, kann sich auch bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit der Wille des Arbeitgebers darauf beschränken, eine gleichwertige Gegenleistung für die zur Fortführung des Unternehmens nötige Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass ihm eine damit verbundene Gläubigerbenachteiligung bewusst wird.

Fazit:

Gemäß § 133 InsO ist eine Rechtshandlung, also die Auszahlung der Vergütung, anfechtbar, die der Schuldner (der Arbeitgeber) in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und wenn der andere Teil (der Arbeitnehmer) zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der Arbeitnehmer wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers drohte und dass die Handlung, die Auszahlung der Vergütung, die übrigen Gläubiger benachteiligte. Sie ist selbst dann anfechtbar, wenn die Leistung „Gehaltszahlung“ einer unmittelbar erbrachten Gegenleistung „Arbeitsleistung“ gleichwertig gegenüber steht, sog. Bargeschäft, § 142 InsO. Weiß also der Arbeitnehmer, dass sein Arbeitgeber zahlungsunfähig ist oder dass seine Zahlungsunfähigkeit absehbar ist, kommt eine Vorsatzanfechtung bezüglich seiner Gehaltszahlung in Betracht mit der Folge, dass er die Nettovergütung an den Insolvenzverwalter zurückbezahlen muss und seine Gehaltsforderung zur Tabelle anmelden kann, wovon er lediglich eine kleine Quote erhält. Diese strenge Auffassung würde jedoch zu nicht tragbaren Ergebnissen führen. Zum einen müssten die Mitarbeiter ggf. erhebliche Gehaltszahlungen zurückbezahlen, obwohl sie ihre Arbeitsleistung erbracht haben, zum anderen würde jeder Mitarbeiter schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit seine Arbeitsleistung verweigern, um nicht trotz Leistung keine Vergütung zu erhalten. Dies würde für ein Unternehmen in der Krise erst recht den Garaus bedeuten. Insofern ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mehr als interessengerecht. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber die Zahlung der Vergütung als Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten auf die erbrachte Arbeitsleistung hin ansehen und nicht als mit dem Vorsatz geleistet, um andere Gläubiger zu benachteiligen. Etwas anderes kann sich jedoch aus den Besonderheiten des Einzelfalls ergeben.

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