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Kündigung wegen angeblichen illegalen Musik- und Filmdownloads über Dienstrechner unwirksam

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (Westfalen) vom 06.12.2013 – 13 Sa 596/13

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat entschieden, dass zwei fristlose Kündigungen, die gegenüber dem Kläger unter anderem wegen des Vorwurfs ausgesprochen wurden, illegale Musik- und Filmdownloads über den Dienstrechner vorgenommen zu haben, unwirksam sind. Der 45-jährige Kläger war als Informationstechniker für die komplette Funk- und Telefontechnik aller Polizeidienststellen im Hochsauerlandkreis zuständig. Er war Mitglied des Personalrates der Kreispolizeibehörde. Ein anwaltliches Schreiben wies die Kreispolizeibehörde im Februar 2010 darauf hin, dass von Dienstrechnern aus das Musikalbum "Vom selben Stern" (u.a. mit dem Lied "Nichts bringt mich runter") der Gruppe "Ich und Ich" illegal heruntergeladen wurde. Im Zuge der anschließenden Ermittlungen stellte die Kreispolizeibehörde im Jahr 2010 fest, dass sich auf dem Desktoprechner, den überwiegend der Kläger nutzte, urheberrechtlich geschützte Werke befanden, auch diverse Musiktitel von "Ich und Ich".

Außerdem befanden sich auf dem Rechner, ebenso wie auf dem Notebook des Klägers, Filesharing-Programme und Spezialsoftware zum unwiederbringlichen Löschen von Dateien. Im Laufe der Ermittlungen ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass über den Desktoprechner des Klägers zu bestimmten Zeitpunkten Filme heruntergeladen wurden; zur Hälfte der maßgeblichen Zeitpunkte war der Kläger allerdings nicht im Dienst oder außerhalb des Dienstgebäudes tätig. Ins Visier der Ermittlungen geriet auch ein weiterer IT-Mitarbeiter der Kreispolizeibehörde, auf dessen Computer ebenfalls Anhaltspunkte für das Herunterladen von Filmen gefunden wurden. Der Kläger wurde zunächst freigestellt. Im November und Dezember 2012 sprach das Land Nordrhein-Westfalen als Arbeitgeber gegenüber den beiden Angestellten fristlose Kündigungen aus. Während der andere IT-Mitarbeiter sich mit der Kreispolizeibehörde darauf verständigte, dass das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist gegen Zahlung einer Abfindung endet, begehrte der Kläger gerichtlich die Feststellung der Unwirksamkeit seiner Kündigung.

Das Land Nordrhein-Westfalen begründete vor dem Arbeitsgericht die Kündigung damit, dass der Kläger illegal Daten aus dem Internet heruntergeladen habe. Der Kläger habe dabei die Software "Azureus" genutzt, die mit einem automatischen Einwahlverfahren arbeite. Der Kläger sei insofern in der Lage gewesen, Downloads auch in seiner Abwesenheit vorzunehmen. Außerdem habe der Kläger einen Tag vor seiner Freistellung im Juni 2010 Veränderungen am System-PC im Technikraum vorgenommen, wodurch es zu einer Störung des Funkverkehrs gekommen sei. Das Arbeitsgericht gab dem Kläger recht. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger tatsächlich illegale Downloads vorgenommen habe. Sein Rechner habe auch von anderen Mitarbeitern genutzt werden können, zumal die Anmeldung am System aufgrund eines speziellen Profils ohne Kennworteingabe möglich gewesen sei. Es lägen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger vorsätzlich eine Störung des Funkverkehrs herbeigeführt habe. Die fristlose Kündigung sei auch als Verdachtskündigung unwirksam. Eine ordentliche Kündigung komme nicht in Betracht, da der Kläger als ehemaliges Personalratsmitglied Sonderkündigungsschutz genieße. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Ausschlaggebend sei, dass sich keine Feststellungen dazu treffen ließen, dass gerade der Kläger für das illegale Herunterladen verantwortlich war. Auch ein dringender Verdacht gegen den Kläger bestehe im Hinblick auf die unklare Verantwortlichkeit für die Download-Vorgänge nicht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde unter anderem auch erörtert, dass die Arbeitgeberin nicht eine zügige Sicherstellung der "verdächtigen" Rechner veranlasst hatte, so dass sich im Nachhinein nicht habe klären lassen, welche Personen später Dateien gelöscht hatten.

Fazit:

Grundsätzlich kann eine Kündigung nicht nur wegen des erwiesenen Arbeitsvertragsverstoßes, sondern auch wegen eines Verdachts ausgesprochen werden. Anders als bei einer Tatkündigung genügt dann allein der Verdacht, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen zerstört. An eine solche Kündigung sind jedoch strenge Voraussetzungen gebunden. Insbesondere setzt eine Verdachtskündigung die Anhörung des betroffenen Mitarbeiters zwingend voraus. Der Verdacht muss sich weiter aus objektiven, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Tatsachen ergeben. Bloße, auf Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus. Die Arbeitsvertragsverletzung muss weiter von erheblichem Gewicht sein. Ferner muss der Arbeitgeber alles Zumutbare zur Sachverhaltsaufklärung getan haben.

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