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Rechtsfolge verdeckter Arbeitnehmerüberlassung

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.07.2016 – 9 AZR 352/15

Bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung wird auch dann kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet, wenn der Arbeitgeber eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besitzt.

Die Klägerin ist technische Zeichnerin. Sie war bei der Beklagten, einem Automobilunternehmen, seit dem Jahr 2004 bis zum 31.12.2013 tätig. Grundlage ihrer Tätigkeit waren zwischen der Beklagten und der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin als Werkverträge bezeichnete Vereinbarungen. Die Vertragsarbeitgeberin verfügte über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin hat gemeint, ihre Vertragsarbeitgeberin und die Beklagte hätten nur Scheinwerkverträge geschlossen, um die Arbeitnehmerüberlassung zu verdecken. Die Beklagte könne sich deshalb nicht auf die erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung berufen. Die Klägerin begehrte vor allem die Feststellung, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Klägerin blieb vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Seiner Auffassung nach ist zwischen der Beklagten und der Klägerin auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, wenn die Klägerin auf der Grundlage eines Scheinwerkvertrags als Leiharbeitnehmerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden wäre. Maßgeblich sei, dass die Vertragsarbeitgeberin der Klägerin die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hatte. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) fingiere i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe für eine solche nicht offene Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet.

Fazit:

Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG kommt zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Verleiher nicht die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG besitzt. Besitzt ein Arbeitgeber die erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Entleihern Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher nach geltendem Recht auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers nicht als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag bezeichnet worden ist (verdeckte Arbeitnehmerüberlassung). Diese Praxis ist eine Umgehung des Arbeitnehmerschutzes im Rahmen einer eigentlichen Arbeitnehmerüberlassung, beispielsweise hinsichtlich des Equal Pay nach § 9 Nr. 2 AÜG, der Auskunftsansprüche nach § 13 AÜG, der Informationspflicht über freie Arbeitsplätze nach § 13a AÜG oder des Zugangs zu Gemeinschaftseinrichtungen des Verleihers nach § 13b AÜG. Folglich hat z.B. das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG auf diese Fälle analog angewandt, vgl. Entscheidung vom

und Entscheidung vom

und ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher trotz Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „in der Schublade“ des Verleihers bzw. Unternehmers im werkvertraglichen Sinne als begründet angesehen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erstaunt, da dieses im Rahmen seiner Rechtsprechung nicht sonderlich strenge Maßstäbe an das Vorliegen einer Gesetzeslücke anlegt; man denke nur an die Entscheidung zur Vorbeschäftigung im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht hat diesbezüglich mit Urteil vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 entschieden, dass der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) ohne Grund bis zu 2 Jahren zu befristen, ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber nicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG entgegensteht, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als 3 Jahre zurückliegt mit der Begründung, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG („bereits zuvor“) nicht zwingend ein bestimmtes Auslegungsergebnis gebiete dieser kein zeitlich uneingeschränktes Zuvorbeschäftigungsverbot enthalte und hat im Wege der Rechtsfortbildung die Verjährungsfrist des § 195 BGB von 3 Jahren als angemessene “Lücke” zwischen einer Vor- und Nachbeschäftigung angesehen. Für diese Auslegung findet sich allerdings keinerlei Ansatzpunkt im Gesetz, weshalb das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg auch hier anderer Auffassung ist (Entscheidung vom

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung ist also der Gesetzgeber gefragt. Eine Überarbeitung des AÜG ist gerade im Gange.

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