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Sharenting – Kinderfotos im Internet

Manche Eltern veröffentlichen Fotos ihrer Kinder im Internet. Was auf den ersten Blick wie ein harmloses „Posten“ und „Teilen“ von Urlaubsfotos anmutet, ist unter dem Stichwort „Sharenting“ bekannt. Welche Folgen ein solcher, digitaler Fußabdruck für die Kinder im Einzelfall haben kann, bedenken Eltern oft nicht.

Uns erreichen immer mehr Eingaben, die sich auf Veröffentlichungen im Internet durch natürliche Personen beziehen. Bildaufnahmen gut erkennbarer Personen sind immer auch personenbezogene Daten. Im Falle eines Uploads im Internet werden diese automatisiert verarbeitet. Mit der Internetveröffentlichung ist eine weltweite und grundsätzlich unbegrenzte Zugriffsmöglichkeit verbunden. Damit wird das sog. Haushaltsprivileg für familiäre und persönliche Tätigkeiten verlassen, das eine Ausnahme von der DSGVO definiert (siehe ausführlich 25. Bericht unter 4.7). Eltern sind damit datenverarbeitende Stellen, wenn sie Fotos ihrer Kinder im Internet veröffentlichen.

Die DS-GVO statuiert in Erwägungsgrund 38 (EG) in Bezug auf Kinder eine besondere Schutzbedürftigkeit: „Kinder verdienen bei ihren personenbezogenen Daten besonderen Schutz, da Kinder sich der betreffenden Risiken, Folgen und Garantien und ihrer Rechte bei der Verarbeitung personenbezogener Daten möglicherweise weniger bewusst sind.“ Das Recht am eigenen Bild wird altersunabhängig vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes 27. Bericht 2022 LDI NRW 32 nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz geschützt. Seine Ausprägung findet dieser Grundrechtsschutz in den §§ 22 und 23 Kunsturhebergesetz (KunstUrhG). Danach ist für eine Veröffentlichung grundsätzlich die Einwilligung der abgebildeten Person erforderlich. Ist die Person noch minderjährig, wird für eine Einwilligung an die Einsichtsfähigkeit des Kindes angeknüpft. Diese wird in der Regel mit dem 14. Lebensjahr angenommen, kann im Einzelfall aber auch früher vorliegen. Soweit noch keine Einsichtsfähigkeit angenommen werden kann, kommt es regelmäßig auf die Einwilligung beider Elternteile an. Hierzu hatte das OLG Düsseldorf zuletzt entschieden, dass das Verwenden von Fotografien dem Einwilligungserfordernis des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a DS-GVO unterfällt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.07.2021, Az. 1 UF 74/21). Das Recht am eigenen Bild ist durch die Internetveröffentlichung im erhöhten Maße gefährdet, da die Fotos weltweit zugänglich gemacht werden. Mithin ist eine verlässliche Löschung von Fotos nicht möglich und eine etwaige Weiterverbreitung kaum kontrollierbar. (siehe hierzu OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.05.2018 – 13 W 10/18, Rz. 12, so zuletzt auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.07.2021, Az. 1 UF 74/21, Rz. 8). Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der abgebildeten Kinder haben und zu einer unzulässigen Beschneidung ihrer Rechte führen. Im Internet veröffentlichte Personenfotos können oft nicht restlos gelöscht werden. Das Recht auf Vergessenwerden nach Art. 17 der DSGVO läuft faktisch leer und die Kinderfotos sind potenziell für immer für einen unbeschränkten Personenkreis verfügbar. „Das tangiert spürbar die Integrität ihrer Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre“, so das 27. Bericht 2022 LDI NRW 33 OLG Düsseldorf.

Sowohl die Nutzung solcher Fotos für Cybermobbing als auch die Aufmerksamkeit pädophiler Personen für Kinderbilder im Internet können zu ernsten seelischen und schlimmstenfalls körperlichen Beeinträchtigung der betroffenen Kinder führen. Erfolgt die Veröffentlichung auf Initiative der Eltern, die mit der Publikation auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse verbinden, besteht ein Interessenkonflikt: Das wirtschaftliche Publikationsinteresse der Eltern kollidiert mit dem Kindeswohl, insbesondere sofern das Kind noch nicht einsichtsfähig ist und nicht selbst über eine Veröffentlichung entscheiden kann. Die LDI NRW befasste sich in diesem Zusammenhang mit einer Eingabe, in der es um Veröffentlichungen einer sog. „Influencerin“ ging. Sie stellte regelmäßig Fotografien ihrer minderjährigen Kinder auf ihrer Internetpräsenz sowie ihrem Instagram-Account online. Die Veröffentlichungen (Fotos und Text) dienten unter anderem dazu, Produkte verschiedener Unternehmen gegen Vergütung zu bewerben. Im Rahmen der Prüfung der nach § 22 KunstUrhG erforderlichen Einwilligung beider Elternteile ergab sich der vorstehend geschilderte Interessenkonflikt. Dessen Auflösung ist juristisch umstritten und ist bisher gesetzlich nicht gesondert geregelt, soweit keine Einsichtsfähigkeit der betroffenen Minderjährigen vorliegt. Wir haben die Influencerin über die aktuelle Rechtslage, die damit verbundenen Problemstellungen und nachdrücklich über die besondere Schutzbedürftigkeit der Kinder bei Internetveröffentlichungen informiert. Die verantwortliche Stelle hat seitdem die Auswahl der Fotos mit Kindern dahingehend angepasst, dass diese zumeist nur bildabgewandt gezeigt werden. 27. Bericht 2022 LDI NRW 34 Angesichts der kaum kontrollierbaren Weiterverarbeitung von im Internet veröffentlichten Kinderfotografien und der Gefahr einer unberechtigten Nutzung durch Dritte (Pädophilie, Cybermobbing), ist bei der Veröffentlichung von Kinderfotos eine besondere Vorsicht geboten. Kinder verdienen im Hinblick auf ihre personenbezogenen Daten besonderen Schutz. Es bedarf einer stärkeren präventiven Aufklärung über die Gefahren bei Veröffentlichungen von Kinderfotografien im Internet. Sie ist grundsätzlich nur mit der Einwilligung beider Elternteile zulässig, wenn das Kind noch nicht einsichtsfähig sein sollte.

Die bestehende Rechtslage weist aktuell eine Regelungslücke für die Veröffentlichung von Fotos noch nicht einsichtsfähiger Kinder im Internet auf, soweit diese auch im wirtschaftlichen Interesse der Eltern erfolgt. Hier sollte der Gesetzgeber adäquate Regelungen zum Schutz von Kindern treffen.

(Quelle: 27. Tätigkeitsbericht LDSB NRW 2022)

Beitrag veröffentlicht am
1. August 2022

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