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Tatsächliche wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners bei der Betriebsrentenanpassung maßgeblich

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.04.2015 - 3 AZR 729/13

Für eine Betriebsrentenanpassung kommt es nicht auf eine fiktive wirtschaftliche Lage an, die bestanden hätte, wenn unternehmerische Entscheidungen anders getroffen worden wären, sondern auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage.

Der Kläger bezieht seit dem 01.08.2008 von der Beklagten eine Betriebsrente. Die Beklagte ist in einen Konzern eingebunden. Zwischen der Beklagten und einer Schwestergesellschaft besteht ein sog. "Intercompany Trading Agreement" (im Folgenden: AGITA), wonach sich die Vergütung für die konzerninternen Leistungen berechnet. Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Anpassung seiner Betriebsrente gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung) zum 01.01.2011. Er ist der Auffassung, die wirtschaftliche Lage der Beklagten stehe einer Anpassung nicht entgegen. Durch die im AGITA vereinbarte Berechnungsformel komme es zu einer konzerninternen Vorteilsverlagerung von der Beklagten auf die Muttergesellschaft. Die Beklagte müsse sich die günstige wirtschaftliche Lage ihrer Muttergesellschaft bzw. der Konzernobergesellschaft im Wege des Berechnungsdurchgriffs zurechnen lassen. Zum einen enthalte das AGITA eine harte Patronatserklärung; zum anderen könne die Beklagte aufgrund der im AGITA vereinbarten Berechnungsformel für die Vergütung der konzerninternen Leistungen von vornherein stets nur den im AGITA festgelegten und begrenzten Gewinn erzielen. Hierdurch würden Betriebsrentenanpassungen auf unabsehbare Zeit verhindert. Der Kläger hatte keinen Erfolg. Die Beklagte durfte zum Anpassungsstichtag 01.01.2011 davon ausgehen, dass ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung nicht zuließ, da sie bis zum nächsten Anpassungsstichtag keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaften würde. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG komme es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners und nicht auf eine fiktive wirtschaftliche Lage an, die bestanden hätte, wenn unternehmerische Entscheidungen anders getroffen worden wären. Deshalb sei nicht von Belang, wie sich die wirtschaftliche Lage der Beklagten dargestellt hätte, wenn im AGITA eine andere Verrechnungspreisabrede vereinbart worden wäre. Die Voraussetzungen für einen sog. Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage einer anderen Konzerngesellschaft hätten zum Anpassungsstichtag 01.01.2011 nicht vorgelegen.

Fazit:

Dem Arbeitgeber ist zuzubilligen, dass er nach Eigenkapitalverlusten bzw. einer Eigenkapitalauszehrung möglichst rasch für eine ausreichende Kapitalausstattung sorgt und bis dahin von Betriebsrentenerhöhungen absieht. Die Beurteilung seiner wirtschaftlichen Lage erfolgt nach folgenden Grundsätzen (Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.10.2014 – 3 AZR 1027/12): 1. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus.

Beurteilungsgrundlage ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag entsprechend seiner gesamtwirtschaftlichen Situation, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. 2. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung, wenn das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde, wenn also. der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. 3. Die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG trifft dasjenige Unternehmen, welches als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder im Wege der Rechtsnachfolge übernommen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Eine Ausnahme hiervon gilt im Fall des sog. Berechnungsdurchgriffs Dabei wird dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens zugerechnet. Der Berechnungsdurchgriff führt dazu, dass ein Unternehmen, das selbst wirtschaftlich nicht zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage ist, gleichwohl eine Anpassung des Ruhegeldes vornehmen muss, wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Konzernunternehmens dies zulässt. Dazu genügt es aber nicht, dass eine andere Konzerngesellschaft die Geschäfte des Versorgungsschuldners tatsächlich dauernd und umfassend geführt hat und sich dabei konzerntypische Gefahren verwirklicht haben, vgl. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, insbesondere weil ein Gewinnabführungsvertrag der Konzernobergesellschaft nicht das Recht und die Möglichkeit gibt, ihre eigene unternehmerische Zielkonzeption zu entwickeln und zu verfolgen und diese, ggf. durch Ausübung des Weisungsrechts, in der durch den Unternehmensvertrag verbundenen Gesellschaft durchzusetzen. Hinzukommen muss weiter, dass das herrschende Unternehmen die Leitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft (hier der Beklagten) nimmt, sondern stattdessen die Interessen anderer dem Konzern angehörender Unternehmen oder seine eigenen in den Vordergrund stellt und dadurch den Mangel der Leistungsfähigkeit der Versorgungsschuldnerin (hier der Beklagten) verursacht. Eine Patronatserklärung, d.h. eine Unterstützungserklärung einer Konzernobergesellschaft (Patronin) für operative Konzerngesellschaften (Tochter), hilft auch nur in besonderen Konstellationen weiter. Bei einer „harten“ Patronatserklärung übernimmt die Patronin gegenüber demjenigen, dem sie die Erklärung abgegeben hat, rechtsverbindlich die Verpflichtung, die Tochter finanziell so auszustatten, dass diese ihre Verpflichtungen erfüllen kann, oder für die Erfüllung der gesicherten Verbindlichkeiten einzustehen, jedoch müssen diese die Verpflichtung zur Anpassungsprüfung und -entscheidung auch einschließen.

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