Verfall des Urlaubsanspruchs bei fortdauernder Erkrankung nach 15 Monaten
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 Leitsatz
1. Der gesetzliche Erholungsurlaub (§§ 1, 3 BUrlG) und der schwerbehinderten Menschen zustehende Zusatzurlaub (§ 125 Abs. 1 SGB IX) setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft.
2. Ist ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert, verfallen seine gesetzlichen Urlaubsansprüche aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (im Anschluss an EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS]).
3. Für die Leistung der Urlaubsabgeltung ist im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Zeit nach dem Kalender bestimmt, sodass der Arbeitgeber grundsätzlich noch nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst durch Mahnung in Verzug kommt.
Die
Parteien streiten noch über die Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2009. Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 01.07.2001 bis zum 31.03.2009 in der Rehabilitationsklinik der Beklagten gegen eine monatliche Bruttovergütung i.H.v. zuletzt EUR 2.737,64 als Angestellte beschäftigt. In § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 21.06.2001 ist vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung bestimmt und außerdem die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung finden. Im Jahr 2004 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Ab dem 20.12.2004 bezog sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung, die sie nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus bezog. Mit ihrer der Beklagten am 08.04.2009 zugestellten Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 verlangt. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist die Annahme, dass Urlaubsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis auch dann nicht entstehen, wenn das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen ist, mit der in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG angeordneten Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nicht zu vereinbaren. Jedoch ist der Urlaubsanspruch der Klägerin aus den Jahren 2005 – 2007 mit Ablauf des 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen, somit der Urlaubsanspruch aus dem Jahre 2005 mit Ablauf des 31.03.2007 usw. Der Urlaubsanspruch aus dem Jahre 2008 war deshalb nicht verfallen, weil eine tarifvertragliche Regelung vorsah, dass der Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März angetreten werden kann, bis zum 31. Mai anzutreten ist. Dieser Urlaubsanspruch sowie der Teilanspruch für das Jahr 2009 sind abzugelten.
Fazit:
Bisher war es so, dass der wegen fortdauernder Erkrankung nicht genommene Urlaubsanspruch in voller Höhe nicht verfiel, sodass sich bei über Jahren andauernder Erkrankung hohe Urlaubsansprüche anhäuften, wie z.B. im vorliegenden Fall über 149 Urlaubstage. Diese Ansprüche hat das Bundesarbeitsgericht nun reduziert in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass nun Urlaubsansprüche bei fortdauernder Erkrankung zwar nicht mit dem 31.03. des Folgejahres verfallen, aber mit dem 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres, also nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres.