Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.03.2016 – 4 AZR 421/15
Bei Geltung einer tariflichen Ausschlussfrist in einem Arbeitsverhältnis, innerhalb derer ein Anspruch gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden muss, reicht es zur Fristwahrung nicht aus, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist und dem Anspruchsgegner ggf. später zugestellt wird, entscheidend ist der Zugang beim Anspruchsgegner selbst.
Der Kläger begehrt von seinem Arbeitgeber eine Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden § 37 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Dies hätte für den Kläger eine Geltendmachung bis zum 30.12.2013 bedeutet. Seinen Anspruch hat er erstmals mit seiner bei Gericht am 18.12.2013 eingegangenen und dem beklagten Arbeitgeber am 07.01.2014 zugestellten Klage geltend gemacht. Der Kläger meint, zur Wahrung dieser Ausschlussfrist habe der fristgerechte Eingang der Klageschrift bei Gericht ausgereicht. § 167 ZPO, der dies jedenfalls für bestimmte Maßnahmen gegen den Ablauf von Verjährungsfristen ausdrücklich regele, sei auch auf die Einhaltung tariflicher Verfallfristen anzuwenden. Der beklagte Arbeitgeber hat dem entgegengehalten, es komme bei außergerichtlichen Fristen allein auf den tatsächlichen Zugang des Geltendmachungsschreibens an. Das Bundesarbeitsgericht gab dem beklagten Arbeitgeber Recht. § 167 ZPO sei auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar. Der Gläubiger einer Forderung habe sich den Zeitverlust durch die – in der Sache nicht zwingend erforderliche – Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen. Die Zustellung der Klageschrift am 07.01.2014 sei danach verspätet und die Klage abzuweisen gewesen.
Fazit:
Viele Tarifverträge und auch viele Arbeitsverträge enthalten sogenannte Ausschlussfristen. Nach diesen verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber dem Arbeitgeber bzw. der anderen Vertragspartei außergerichtlich (1. Stufe) und gegebenenfalls innerhalb einer weiteren Frist nach Ablehnung oder Nichtäußerung des anderen Vertragspartners gerichtlich (2. Stufe) geltend gemacht werden. Die Klauseln sollen Rechtssicherheit im Arbeitsverhältnis bieten. In Arbeitsverträgen vereinbarte Ausschlussfristen dürfen einen Zeitraum von 3 Monaten nicht unterschreiten und müssen auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung abstellen. Soll daher rückständige Vergütung geltend gemacht werden, muss dies bei Anwendbarkeit einer Ausschlussfrist rechtzeitig gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner erfolgen. Durch Einreichung einer Klage ist dies nur dann gewahrt, wenn diese dem Vertragspartner noch innerhalb der Frist zugestellt wird. Es genügt nicht, dass die Klage innerhalb der Frist erhoben wird und diese alsbald nach Klageerhebung dem Vertragspartner nach § 167 ZPO zugestellt wird, wie dies bei der Verjährung von Ansprüchen erfolgen darf. Eine Ausnahme ist die Geltendmachung von künftigen Vergütungsansprüchen in einem laufenden Kündigungsschutzverfahren. Der Arbeitnehmer wäre eigentlich gehalten, während des Kündigungsschutzprozesses ständig die Klage auf die monatlichen Vergütungsansprüche zu erweitern, die der Arbeitgeber im Hinblick auf die ausgesprochene Kündigung nicht erfüllt, damit diese Ansprüche nicht verfallen. Dies ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts für den Arbeitnehmer im Hinblick auf die sich damit erhöhenden Prozesskosten im Rahmen eines effektiven Rechtsschutzes nicht zumutbar. Das Bundesarbeitsgericht hat zudem entschieden, dass der Arbeitnehmer mit Erhebung der Kündigungsschutzklage beide Stufen der Ausschlussfrist bezüglich der ab Klageerhebung anfallenden Vergütung wahrt.