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Arbeitsrecht Darlegungs- und Beweislast bei ausserordentlicher Kündigung

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26.11.2015 – 3 Sa 239/10

Der Arbeitgeber muss nicht nur den wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung beweisen, sondern er muss auch die Rechtfertigung des Arbeitnehmers entkräften können.

Der Kläger ist Vertriebsleiter bei der Beklagten, die türkische Teppiche und Auslegware vertreibt. Er erhält eine monatliche Vergütung von etwa EUR 12.800,00 brutto. Die Beklagte warf ihm vor, die Firmenkreditkarte für den Kauf privater Herrenbekleidung genutzt zu haben. Auch seien Ausgaben, die für einen Kunden getätigt worden seien, nicht korrekt abgerechnet worden. Allerdings rechnete der Kläger bisher seine Spesen immer pauschal ab, ohne einzelne Belegnachweise zu führen und die konkreten Ausgaben zu benennen. Dennoch kündigte die Beklagte dem Kläger wegen Spesenbetrugs.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die fristlose Kündigung unwirksam. Es liege kein „wichtiger Grund“ für eine fristlose Kündigung vor. Der Kläger habe glaubhaft machen können, dass er mit der Firmenkreditkarte einen Einkaufsgutschein für einen Geschäftskunden erworben habe. Auch habe er Kundenrechnungen zu Lasten der Beklagten übernommen, denen konkrete Leistungen des Kunden gegenüberstanden. Diese Rechtfertigung des Klägers habe die Beklagte nicht widerlegen können. Ein Bestreiten „ins Blaue hinein“ sei nicht möglich. Auch müsse sich die Beklagte die bisherige Praxis der Spesenabrechnung vorhalten lassen. Sie habe selbst ausgeführt, dass Spesenabrechnungen immer erfolgt seien, konkrete einzelne Belege jedoch nicht erforderlich gewesen seien.

Bezüglich der Frage der Darlegungs- und Beweislastverteilung ist die zugelassene Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt worden unter dem Aktenzeichen 2 AZR 110/15.

Fazit:

Grundsätzlich sind die Tatsachen, auf welche die außerordentliche Kündigung gestützt wird, vom Kündigenden darzulegen und zu beweisen. Trägt der Gekündigte ihn entlastende Tatsachen detailliert vor, so muss der Kündigende auch diese widerlegen können, vgl. auch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22.03.2012 – 10 Sa 625/11

Rechnet der Arbeitgeber damit, dass er die Einwendungen seines zu kündigenden Mitarbeiters nicht widerlegen können wird, so ist ihm zu empfehlen, statt einer Tat- eine Verdachtskündigung auszusprechen. Diese kann auf den lediglich dringenden, auf objektiven Tatsachen basierenden Verdacht gestützt werden. Der Arbeitgeber muss jedoch alles zur Sachverhaltsaufklärung zumutbare getan haben. Somit ist zwingende Voraussetzung einer Verdachtskündigung die Anhörung des zu kündigenden Mitarbeiters vor Ausspruch der Kündigung, damit dieser die Gelegenheit erhält, den gegen ihn bestehenden Verdacht auszuräumen. Dies beinhaltet gleichzeitig, dass dem Mitarbeiter konkret eröffnet wird, warum er angehört werden soll. Anderenfalls ist ihm nicht die hinreichende Gelegenheit gegeben worden, sich zu verteidigen. Der Mitarbeiter muss also im Rahmen der Anhörung die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder Entlastungstatsachen vorzubringen. Der Arbeitgeber muss alle erheblichen Umstände angeben, aus denen er seinen Verdacht ableitet. Nur dann hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich umfassend zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten zu äußern.

Zu beachten ist hier eine Anhörungsfrist von im Normalfall maximal einer Woche.

Weiter zu beachten ist die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ab dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber alle Verdachtsmomente geklärt hat. Spätestens dann muss die außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden. Dies zu beurteilen, kann allerdings im Einzelfall schwierig sein.

Auch muss im Rahmen einer Betriebsratsanhörung zur außerordentlichen Kündigung klargestellt werden, dass der Mitarbeiter aufgrund des Tatverdachts gekündigt werden soll und es sollte ausgeführt werden, dass, sollte sich der Vorwurf erhärten, die Kündigung auf die dann nachweisliche Tat gestützt werden soll.

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