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Arbeitsrecht Entstehen betrieblicher Übung bei einer Sonderzahlung in jeweils unterschiedlicher Höhe

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.5.2015 – 10 AZR 266/14

Erbringt der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg vorbehaltlos jeweils zum Jahresende eine als “Sonderzahlung” bezeichnete Leistung in unterschiedlicher Höhe an einen Arbeitnehmer, darf dieser daraus auf ein verbindliches Angebot i.S.d. § 145 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auf Leistung einer jährlichen Sonderzahlung schließen, deren Höhe der Arbeitgeber einseitig nach billigem Ermessen festsetzt.

Der Kläger war von 1992 bis 2010 bei der Beklagten beschäftigt. Seine Vergütung betrug zuletzt EUR 5.300,00 brutto pro Monat. Zusammen mit der jeweils am 10. Januar des Jahres ausgezahlten Vergütung für Dezember erhielt er einen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, der sich im Jahr 2007 auf EUR 10.000,00 und in den beiden darauf folgenden Jahren auf jeweils EUR 12.500,00 belief. Für das Kalenderjahr 2010 hatte der Arbeitgeber keine Zahlung geleistet. Der Arbeitnehmer machte diesen Anspruch im Klagewege geltend und forderte EUR 12.500,00 als Sonderzahlung für das Jahr 2010.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger zum Teil Recht. Es ist der Auffassung, dass die drei aufeinanderfolgenden Zahlungen aus den Jahren 2007 bis 2009 als Angebot der Arbeitgeberin anzusehen sind, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten, auch wenn die Zahlung in unterschiedlicher Höhe erfolgte. Der Arbeitnehmer dürfe trotz der ungleichen Höhe der Sonderzahlungen davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin sich hinsichtlich der Sonderzahlung in irgendeiner Art und Weise auf Dauer binden wolle. Die Beklagte hat ausgeführt, sie habe die Leistung einer Sonderzahlung vom jeweiligen Betriebsergebnis abhängig machen wollen. Eine entsprechende schriftliche Erklärung gab es hierzu aber nicht. Insofern sei die variierende Höhe für vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlungen typisch. Der Arbeitgeber bringe gerade nicht seinen Willen zum Ausdruck, jährlich neu „nach Gutdünken“ über die Sonderzahlung entscheiden zu wollen. Damit hält das Bundesarbeitsgericht an seiner bisherigen Rechtsprechung zur betrieblichen Übung, nach der bei jährlich unterschiedlich hohen Zuwendungen mangels regelmäßiger Gleichförmigkeit Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen kein Anspruch des Arbeitnehmers entstehe, nicht mehr fest.

Gleichwohl könne der Kläger nicht den zuletzt geleisteten Betrag in Höhe von EUR 12.500,00 beanspruchen. Sein Anspruch geht nur dahin, dass an ihn eine Sonderzahlung zu leisten ist, deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB festzusetzen hat.

Fazit:

Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter gleichförmiger Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aufgrund deren der Arbeitnehmer darauf vertrauen kann, dass ihm eine bestimmte Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Gewährt der Arbeitgeber also z.B. mindestens dreimal hintereinander allen Arbeitnehmern im November ein Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Monatsgehaltes, entsteht eine betriebliche Übung und die Arbeitnehmer können die Zahlung künftig beanspruchen und einklagen. Voraussetzung ist nur, dass das Geld ohne Vorbehalt, mindestens dreimal hintereinander und in „gleichförmiger“ Weise gezahlt wurde. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedeutete dies die Zahlung immer desselben Betrags.

Bislang war es für Arbeitgeber daher eine gängige Methode, die Entstehung einer betrieblichen Übung dadurch zu verhindern, dass jährlich unterschiedlich hohe Sonderzahlungen geleistet wurden. Diese Praxis ist durch die vorstehende Entscheidung obsolet geworden. Es empfiehlt sich daher stets, mit jeder (!) Sonderzahlung ein Begleitschreiben dem Arbeitnehmer zu übergeben, mit welchem klargestellt wird, ob und inwieweit sich der Arbeitgeber für die Zukunft vertraglich binden will.

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