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Arbeitsrecht Arbeitsrechtliche Auswirkungen der Lohnpfändung

Mit dem Pfändungsbeschluss ist es dem Arbeitgeber untersagt, den pfändbaren Betrag des Nettoarbeitseinkommens an den Arbeitnehmer auszubezahlen. Alle nach der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorgenommenen Zahlungen an den Arbeitnehmer entfalten gegenüber dem Gläubiger keine Wirkungen. Eine Zahlung an den Arbeitnehmer hat keine Erfüllungswirkung mehr. Auch ist eine Aufrechnung im Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer mit einer Forderung des Arbeitgebers, die nach der Zustellung erst fällig geworden ist, nicht mehr möglich. Dem Arbeitnehmer ist es mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses untersagt, über seine Vergütungsforderung in der gepfändeten Höhe zu verfügen. Ab diesem Zeitpunkt erhält der Arbeitnehmer daher nur noch den pfändungsfreien Betrag seines Arbeitseinkommens an sich ausbezahlt.

Gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die  Erinnerung  gemäß § 766 ZPO beim Vollstreckungsgericht (§ 802 ZPO) einlegen.

Der Arbeitgeber kann als Drittschuldner gegen die gepfändete Forderung alle Einwendungen erheben, die ihm gegen die Entgeltforderung des Arbeitnehmers auch ohne die Pfändung zugestanden hätten. Er kann sich auf die Verjährung, aber auch auf Verfallfristen sowie auf vorherige Erfüllung oder Aufrechnung berufen.

Er kann mit der Erinnerung auch  zugunsten des Arbeitnehmers  den Verstoß gegen eine Pfändungsbeschränkung oder ein Pfändungsverbot geltend machen. Die Erinnerung kann der Arbeitgeber nicht nur auf die Verletzung formellen Vollstreckungsrechts, sondern auch darauf stützen, dass durch Entzug des Freibetrages für den notwendigen Unterhalt die Arbeitskraft seines Arbeitnehmers gefährdet werde.

Die  Fürsorgepflicht  stellt eine wichtige vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers dar, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der gesamten Interessen der Belegschaft nach Treu und Glauben billigerweise möglich ist. Hieraus können sich insbesondere Hinweispflichten ergeben.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers geht aber grundsätzlich nicht so weit, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Möglichkeit von Rechtsbehelfen gegen den Gläubiger belehren muss, auch nicht, dass er die Möglichkeit eines Pfändungsschutzantrags gemäß § 850 i ZPO hat (vgl. BAG Urteil vom 13.11.1991, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 1992, 384). Die Einlegung von Rechtsbehelfen betrifft das Verhältnis Arbeitnehmer – Gläubiger. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erstreckt sich jedoch nicht auf das Verhältnis Arbeitnehmer – Dritter (vgl. BAG Urteil vom 13.11.1991, Der Betrieb 1992, 585). Nur unter besonderen Umständen kann der Arbeitgeber als Drittschuldner im Einzelfall dennoch verpflichtet sein, den unkundigen Arbeitnehmer über seine Rechte und sein Verhalten gegen den Lohnpfändungsbeschluss zu beraten.

Eine Verpflichtung zugunsten des Schuldners, Erinnerung gegen den Pfändungsbeschluss einzulegen, kann aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers seinem Arbeitnehmer gegenüber ebenfalls nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen hergeleitet werden.

Nicht verlangt werden kann vom Arbeitgeber, dass er die Berechtigung der Vollstreckungsforderung des Gläubigers und darüber hinaus die Möglichkeit prüft, ob hiergegen Einwendungen erhoben werden können. Nach § 836 Abs. 2 ZPO darf der Arbeitgeber von der Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses ausgehen. Der Arbeitgeber hat daher auch nicht das (Fürsorge-)Recht für den Arbeitnehmer dessen Einwendungen im Drittschuldnerprozess zu erheben (streitig in krassen Fällen für die Frage der Sittenwidrigkeit des Titels).

Wenn zweifelhaft ist, ob ein bestimmter Betrag von der Pfändung erfasst ist, kann der Drittschuldner  hinterlegen . Aber auch dann genügt der Drittschuldner seiner Fürsorgepflicht, wenn er den streitigen Betrag bis zur Klärung, wer anspruchsberechtigt ist, in Verwahrung behält. Wären mit einer Hinterlegung für den Schuldner Kosten verbunden, so muss der Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht diese Verwahrung unter Umständen der Hinterlegung vorziehen. Jedoch  muss  der Arbeitgeber hinterlegen, wenn dies der Gläubiger oder der Arbeitnehmer verlangt, § 804 ZPO i.V.m. § 1281 BGB. Beim Zusammentreffen von Pfändungen und Abtretungen kann der Arbeitgeber auch hinterlegen, § 372 BGB. Hinterlegungsstelle ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Arbeitgeber seinen Betrieb hat.

Die Fürsorgepflicht seinem Arbeitnehmer gegenüber gibt dem Arbeitgeber nicht das Recht, die Leistung der gepfändeten und überwiesenen Einkommensanteile an den Gläubiger zu verweigern, weil der Arbeitnehmer Vollstreckungsgegenklage erhoben hat. Vielmehr wird der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht erst dann enthoben, wenn der Arbeitnehmer einen Einstellungsbeschluss erwirkt hat (§§ 775, 776 ZPO).

In allen Zweifelsfragen darf der Arbeitgeber nicht zu ungunsten des Arbeitnehmers entscheiden. Erforderlichenfalls hat er eine Auskunft des Vollstreckungsgerichts einzuholen (Küttner, Handbuch Arbeitsrecht § 66 Rnr. 40 mit weiterführenden Details).

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet den Kreis der mit Personalakten (damit auch mit zugehörigen Gehaltsakten) befassten Bediensteten möglichst eng zu halten, somit auch die mit der Abwicklung der Pfändung und Überweisung befassten Beschäftigten zu beschränken. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verpflichtet gleichermaßen zur Wahrung der  Vertraulichkeit .

Kündigen  kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen einer Lohnpfändung grundsätzlich nicht, auch wenn dieser die Pfändung schuldhaft ausgelöst hat (Landesarbeitsgericht Hamm, Betriebsberater 1978, 1363; Landesarbeitsgericht Berlin, Betriebsberater 1979, 272). Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn das Vorhandensein oder die Nichtbezahlung der Schuld mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers in einer herausgehobenen Stellung oder Vertrauensstellung unvereinbar ist (BAG Urteil vom 15.10.1992, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45)

Ob bei mehreren, insbesondere bei einer Vielzahl von Lohnpfändungen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ordentlich kündigen kann, hat sich nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen. Für sich allein rechtfertigt das Vorliegen mehrerer Lohnpfändungen noch keine ordentliche Kündigung (BAG Urteil vom 4.11.1981, Betriebsberater 1982, 556 = Der Betrieb 1982, 498 = NJW 1982, 1062; Urteil vom 15.10.1992). Regelmäßig wird der Arbeitgeber daher zur Kündigung des Arbeitnehmers nicht berechtigt sein.

Sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kann eine ordentliche Kündigung aber dann sein, wenn im Einzelfall zahlreiche Lohnpfändungen oder Abtretungen einen derartigen Arbeitsaufwand des Arbeitgebers verursachen, dass dies – nach objektiver Beurteilung – zu wesentlichen Störungen im Arbeitsablauf (etwa in der Lohnbuchhaltung oder in der Rechtsabteilung) oder in der betrieblichen Organisation führt (BAG Urteil vom 15.10.1992, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45). Die Belastung des Arbeitgebers wird sich allerdings in der heutigen Zeit aufgrund der Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung verhältnismäßig in Grenzen halten.

Auch bei Vorliegen solcher wesentlichen Störungen bedarf es aber im Einzelfall einer umfassenden Abwägung der Interessen beider Arbeitsvertragsparteien. Auch kann bei Hinzutreten weiterer Umstände eine ordentliche, fristgemäße Kündigung zulässig und sozial gerechtfertigt sein. So kann die Art der Verschuldung und die Besonderheit der Tätigkeit des Schuldners den Ausschlag geben. Es kann auch darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer nach Abmahnung durch den Arbeitgeber (str. vgl. Küttner, Personalbuch 260/33) erneut schuldhaft Lohnpfändungen veranlasst hat. Bei unverschuldeter Zwangslage des Schuldners können auch wiederholte Pfändungen in kurzen Zeitabständen eine Kündigung nicht rechtfertigen.

Nur unter ganz besonders ungewöhnlichen Umständen dürften Lohnpfändungen einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 I BGB für eine außerordentliche (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber abgeben.

Im Zweifel ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, vom Arbeitnehmer den Ersatz der  Bearbeitungskosten  für die Pfändung zu verlangen. Diese sind grundsätzlich Teil der Kosten, die für die Abrechnung und Ausbezahlung der Vergütung des Arbeitnehmers anfallen. Ob eine Schadenspauschale in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden kann, ist fraglich, unterliegt aber in jedem Fall der Billigkeitskontrolle.

Exkurs: Verschleiertes Arbeitseinkommen

Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitnehmer versuchen sich der Pfändung ihres Arbeitseinkommens zu entziehen, indem sie entweder gar keine oder nur geringe Einkünfte aus ihrer Tätigkeit erzielen.

Für diese Fälle regelt  § 850 h Abs. 2 ZPO , dass unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine  angemessene Vergütung  als geschuldet  gilt . Die Darlegungs- und Beweislast, dass der Schuldner eine unverhältnismäßig geringe Vergütung für seine Tätigkeit erhält, liegt beim Gläubiger. Dieser kann sich an einer für die jeweilige Tätigkeit üblicherweise gezahlten Vergütung orientieren, bei Vorhandensein von Tarifverträgen können diese zugrunde gelegt werden. Kann der Gläubiger belegen, dass die Vergütung wesentlich geringer ist als die übliche, auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, so gilt im Verhältnis Gläubiger – Drittschuldner die übliche Vergütung als geschuldet. Der Arbeitnehmer erhält keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung. Beim pfändbaren Nettoeinkommen sind aber die dann zu berücksichtigenden Unterhaltspflichten einzubeziehen.

Soll die Vergütung an einen Dritten gezahlt werden, kann  § 850 h Abs. 1 ZPO  eingreifen. Hiernach kann der Anspruch des Drittberechtigten insoweit auf Grund des Schuldtitels gegen den Schuldner gepfändet werden, wie wenn der Anspruch dem Schuldner zustände, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet hat, Leistungen an einen Dritten zu bewirken, die nach Lage der Verhältnisse ganz oder teilweise eine Vergütung für die Leistung des Schuldners darstellen. Voraussetzung ist, dass sich der Arbeitgeber gegenüber dem Drittberechtigtenverpflichtet hat, die Vergütung ganz oder teilweise an einen Dritten zu leisten. Nicht ausreichend ist es daher, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch abgetreten hat, denn dies stellt eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Drittberechtigten , nicht zwischen dem Arbeitgeber und dem Drittberechtigten dar. Der Drittberechtigte kann dann im Wege der Drittschuldnerklage gemäß § 771 ZPO gegen die Pfändung vorgehen.

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