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Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 02.04.2013 – 13 Sa 857/12 Handwerker haftet für Schäden in seinem Einsatzbetrieb unter Umständen wie ein Arbeitnehmer

Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG Frankfurt a.M.) hat entschieden, dass ein Handwerker, der im auftraggebenden Betrieb grob fahrlässig einen Schaden verursacht, grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet ist, die Höhe des Schadens sich aber bei Eingliederung in den auftraggebenden Betrieb nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung richtet.

Der 46-jährige Beklagte ist gelernter Schlosser und war seit vielen Jahren praktisch ausschließlich und regelmäßig weisungsunterworfen in einem Milchwerk in Hessen als Handwerker tätig. Das Milchwerk produzierte u.a. Milch- und Kaffeepulver in mehreren Trocknungsanlagen. Am 13.08.2008 hatte der Beklagte den Auftrag, verschiedene Metallteile an einem der Trockentürme anzubringen. Bei laufendem Betrieb schnitt er mit Schweißgerät und Trennschleifer Schlitze in die Außenwand des Trockenturms. Dabei entstanden Funken und glühende Metalltropfen, die in den Trockenturm tropften. 17 t Milchpulver entzündeten sich explosionsartig, was einen Schaden von ca. 220.000 Euro verursachte. Die Versicherungen des Milchwerks sprangen ein. Im vorliegenden Verfahren begehrte die Versicherung des Milchwerks vom Beklagten Regress in Höhe von 142.000 Euro. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Das LAG Frankfurt a.M. hat das Urteil abgeändert und den beklagten Handwerker zur Zahlung von 17.000 Euro verurteilt.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte den Schaden grob fahrlässig verursacht. Es läge auf der Hand, dass bei Schweiß- und Flexarbeiten Funkenflug und heiße Metalltropfen entstehen, die erhitztes Milchpulver zur Entzündung bringen. Für den entstandenen Schaden hafte er daher grundsätzlich in vollem Umfang.

Für Arbeitnehmer im Rechtssinne gilt diese Haftung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nur unter Berücksichtigung der persönlichen Situation und der Umstände des Einzelfalls. Die Haftung soll den Arbeitnehmer nicht in den Ruin treiben. Diese Grundsätze wendet das LAG Frankfurt a.M. auf den Beklagten an, der zwar kein Arbeitnehmer sei, aber als Handwerker praktisch wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Milchwerks eingegliedert war. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb die Haftungssumme auf 17.000 Euro beschränkt, was etwa drei Monatsverdiensten des Handwerkers entsprach.

Das LAG Frankfurt a.M. hat die Revision zum BAG zugelassen.

Fazit:

Die Haftung eines Arbeitnehmers wird je nach Grad des Verschuldens eingeschränkt. Der Arbeitnehmer wäre sonst dem Risiko ausgesetzt, bei jeder leichten Unachtsamkeit sich und seine Familie finanziell zu ruinieren. Das Schadensrisiko ist Teil des Betriebsrisikos des Arbeitgebers; dieser muss sich sein eventuelles Organisationsverschulden anrechnen lassen. Das Bundesarbeitsgericht hat hieraus das sog.  Arbeitnehmerhaftungsprivileg  entwickelt. Danach wird der Umfang nach dem Grad des individuellen Verschuldens beurteilt. Hier gilt folgende Dreiteilung:

  1. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit: Grundsätzlich volle Haftung, allerdings kann auch im Rahmen der Haftung bei grober Fahrlässigkeit im Einzelfall eine Haftungsbeschränkung vorgenommen werden. Eine solche ist insbesondere bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Vergütung und Schaden bzw. dann möglich, wenn der Arbeitnehmer mit einem besonderen Schadensrisiko belastet wird.
  2. mittlere Fahrlässigkeit: quotale Haftung,
  3. leichte Fahrlässigkeit: grundsätzlich keine Haftung.

Das LAG Frankfurt a.M. hat nun das Arbeitnehmerhaftungsprivileg auf Selbstständige angewandt, die in ihrer Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber und der Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers einem Arbeitnehmer ähnlich stehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hier weiter entwickeln wird.

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