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Arbeitsrecht Weihnachtsgeld – Freiwilligkeitsvorbehalt

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.2.2013 – 10 AZR 177/12

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2009 und 2010. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1.08.2004 beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttogehalt von 2.450,00 Euro / Monat. Der von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Arbeitsvertrag vom 29./31. Juli 2004 lautet auszugsweise:

„§ 5 Urlaub/Freiwillige Sozialleistungen

… [Abs. 1 bis Abs. 4 befassen sich mit dem Urlaubsanspruch]

Freiwillige soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt:

  • Freiwillige soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zur Zeit werden gewährt:
  • Weihnachtsgeld in Höhe von (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehaltes im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiteres Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehaltes.
  • Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 EUR pro Monat nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages.

Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“

Im Jahr 2009 erhielten die Mitarbeiter die Mitteilung, dass das Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne. Im Dezember 2010 erhielt der Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 880,00 Euro brutto, mit der die Beklagte „die Betriebstreue der Mitarbeiter belohnen“ wollte; ein Weihnachtsgeld nach § 5 des Arbeitsvertrags wurde nicht gezahlt.

Der Kläger war der Auffassung, ihm stehe für das Jahr 2009 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts (2.205,00 Euro) und für das Jahr 2010 in Höhe eines vollen Monatsgehalts (2.450,00 Euro) zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 des Arbeitsvertrags. Weil die Sonderzahlungen im Arbeitsvertrag nach Voraussetzung und Höhe präzise formuliert würden, sei es widersprüchlich, sie zugleich an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden. Die Klausel sei unklar und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Vorinstanzen Recht gegeben. Der Kläger hat aus § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 90 % eines Monatsgehalts und für das Jahr 2010 in Höhe eines Monatsgehalts. Die Vorinstanzen seien zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 hat. Dem steht der Vorbehalt in § 5 Abs. 5 S. 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Vielmehr ist dieser unwirksam.

Bei der von der Beklagten in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger aus § 5 Abs. 5 S. 2 des Arbeitsvertrags einen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Nach dieser Regelung wird ihm ein Weihnachtsgeld „gewährt“. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs. Darüber hinaus ist die Höhe der Leistung präzise festgelegt, und zwar nicht nur für das Eintrittsjahr, sondern auch für die Folgejahre mit einem Erhöhungsfaktor um jeweils 10 %-Punkte pro Beschäftigungsjahr bis zum Erreichen eines vollen Monatsgehalts.

Dem stehe nicht entgegen, dass das Weihnachtsgeld sowohl in der Überschrift des § 5 als auch in dessen Absatz 5 als „freiwillige soziale Leistung“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung als freiwillig kann auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist.

Ebenso wenig ergebe sich ein Ausschluss eines Rechtsanspruchs aus der Formulierung „zur Zeit werden gewährt“. Dies bringt lediglich zum Ausdruck, mit welcher konkreten Höhe der Zahlung der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rechnen darf.

Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem in § 5 Abs. 5 S. 3 des Arbeitsvertrags enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll. Diese Regelung verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

Fazit:

Präzise Regelungen, wie Sonderzahlungen im Einzelnen gewährt werden sollen, wenn sie denn zu Auszahlung kommen, birgen das Risiko der Widersprüchlichkeit mit der Folge, dass im Arbeitsvertrag ein Anspruch auf die Sonderzahlung festgeschrieben wird. Im Arbeitsvertrag sollte daher nur geregelt werden, dass Sonderzahlungen eine freiwillige Leistung darstellen, auf die auch bei wiederholter Leistung kein Rechtsanspruch entsteht, ohne anzugeben, wann diese im eventuellen Falle zur Auszahlung kommen, diese eventuell bei fortdauernder Erkrankung gemindert werden oder eventuell bei Kündigung des Arbeitnehmers zurückzuzahlen sind.

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