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Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24.11.2015 – 16 TaBV 106/15 Auskunftsanspruch des Betriebsrats zu Zielvereinbarungen

Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24.11.2015 – 16 TaBV 106/15

  1. Der Betriebsrat hat auch die ordnungsgemäße Durchführung einer Gesamtbetriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber zu überwachen.
  2. Hierfür muss der Betriebsrat die Namen der von der Zielvereinbarung betroffenen Mitarbeiter kennen, um die Erfüllung der dort aufgestellten Kriterien nachvollziehen zu können.
  3. Der Übermittlung der Namen stehen keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegen.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vorlage von Zielvereinbarungen und damit einhergehenden Informationen, insbesondere der Nennung der Namen der betroffenen Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen des A-Konzerns. Im Konzern sind ein Gesamtbetriebsrat und 13 Einzelbetriebsräte gebildet. Antragsteller ist der für den Betrieb B gebildete Betriebsrat.

Der Gesamtbetriebsrat und die Beteiligte zu 2) vereinbarten am 12.06.2014 eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) zum PBC-Prozess (GBV PBC), die auch auf den Betrieb B Anwendung findet. Sie regelt das Verfahren zur Zielvereinbarung und Leistungsbewertung. In der GBV wird u.a. verlangt, dass die individuell zu vereinbarenden Einzelziele für die Beschäftigten „erfüllbar“ sein müssen und die individuellen Stärken und Leistungseinschränkungen berücksichtigen.

Die Aufforderung des Betriebsrats des Betriebs B, ihm unverzüglich und detailliert die vereinbarten und festgelegten PBC-Ziele individuell je Arbeitnehmer einschließlich der Zuordnung zu den Zielarten und der Priorisierung der Ziele zu übergeben oder Einsicht zu gewähren, lehnte der Arbeitgeber des Betriebs B ab.

Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptanträgen im Wesentlichen stattgegeben. Der Arbeitgeber hat nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach S. 2 HS. 1 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Vorliegend verwies der Betriebsrat auf seine Aufgabe, gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG den Normvollzug durch den Arbeitgeber zu überwachen.

Auch ist der örtliche Betriebsrat des Betriebs B auch für die Überwachung der Durchführung der Gesamtbetriebsvereinbarung zuständig. Die gesetzliche Aufgabenzuweisung an den einzelnen Betriebsrat bleibt bestehen, wenn der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit eine Betriebsvereinbarung abschließt, denn die Überwachung bedarf anders als die Ausübung von Mitbestimmungsrechten keiner Regelung. Das folgt bereits aus der Tatsache, dass diese Überwachungsaufgabe weder von einer zu besorgenden Rechtsverletzung des Arbeitgebers beim Normvollzug noch vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte abhängig ist.

Ferner hat das Landesarbeitsgericht unter Hinweis auf das in der GBV geregelte Verfahren zur Zielvereinbarung und Leistungsbewertung die Übermittlung aller geforderten Daten für notwendig erachtet. Dazu gehören auch die Namen der Arbeitnehmer, weil ansonsten die Erfüllbarkeit der vereinbarten Ziele unter Berücksichtigung des individuellen Anforderungsprofils sowie etwaig bestehender Leistungseinschränkungen nicht geprüft werden könne.

Der Mitteilung der Namen stehen auch Gründe des Datenschutzes nicht entgegen. Die Überwachung dient zwar auch dem einzelnen Arbeitnehmer, gleichwohl handelt es sich um eine eigenständige, betriebsverfassungsrechtlich legitimierte und ausgestaltete Überwachungsaufgabe, die nicht von einer vorherigen Einwilligung der von der Vorschrift begünstigten Arbeitnehmer abhängig ist, da die Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe nach der Konzeption des BetrVG nicht zur Disposition der Arbeitnehmer steht.

Fazit:

Grundlegende Zielrahmenvereinbarungen unterliegen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, soweit nicht ein Tarifvertrag vorrangig gilt. Bei der Vereinbarung solcher Ziele kann grundsätzlich ein problematischer Leistungsdruck für die einzelnen Mitarbeiter bestehen. Insofern werden im Rahmen einer Zielrahmenvereinbarung Kriterien vereinbart, nach denen eine Zielvereinbarung abgeschlossen werden soll, z.B. bezüglich der Erfüllbarkeit der zu vereinbarenden Ziele.

Bereits im Jahre 2003 hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Betriebsrat bei einem kollektivvertraglichen Zielvereinbarungssystem einen Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 BetrVG über die einzelnen Zielvereinbarungen habe, da diese Vereinbarungen nicht isoliert seien, sondern in einem kollektiven Bezug stünden. Nur so könne der Betriebsrat z.B. die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes überwachen, vgl. Entscheidung vom 21.10.2003 – 1 ABR 39/02. Diese Überwachungsfunktion darf nicht am Datenschutz einzelner Beschäftigter scheitern. Es besteht somit kein Vorrang des individuellen Datenschutzes. Selbstverständlich unterliegen die Mitglieder des Betriebsrats bei solchen persönlichkeitsrechtlich relevanten Daten aber der Verschwiegenheitspflicht nach § 79 BetrVG.

Zu den Kollektivverträgen, deren Einhaltung der Betriebsrat zu überwachen hat, gehören auch Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen.

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