Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 02.10.2012 – 17 TaBV 48/12 Mitbestimmung bei vorübergehender Überlassung von Leiharbeitnehmern
Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 02.10.2012 – 17 TaBV 48/12
- Die Versetzung eines Leiharbeitnehmers in einen anderen Betrieb des Entleihers unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats des Entleihbetriebs gemäß § 99 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). § 14 Abs. 3 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) unterscheidet nicht zwischen Versetzung und Einstellung, sondern statuiert das Mitbestimmungsrecht vor der Übernahme zur Arbeitsleistung.
- § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG steht einem vorübergehenden Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz nicht entgegen.
- Zur Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ist nicht das TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) heranzuziehen mit der Folge, dass ein vorübergehender Einsatz eines Leiharbeitnehmers nur angenommen werden kann, wenn ein sachlicher Grund entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG vorliegt.
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur Versetzung und Einstellung von Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb sowie über die vorläufige Durchführung der Maßnahmen. Die Antragstellerin vergibt Konsumentenkredite für Fahrzeuge, Hausrat sowie Reisen und betreibt Filial- und Direktbankgeschäfte mit Privatkunden. Sie beschäftigt in zahlreichen Filialen in Deutschland ca. 3.600 Mitarbeiter. Sie beabsichtigte nach ordnungsgemäßer Ausschreibung, einen in der Filiale A. tätigen Leiharbeitnehmer für zwölf Monate in die Filiale B. zu versetzen. Weiter beabsichtigte sie, zwei Leiharbeitnehmer für die Dauer von 24 Monaten in die Filiale in C. einzustellen. Die beantragte Zustimmung wurde vom Betriebsrat in beiden Fällen gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigert, weil eine unbefristete Beschäftigung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG unvereinbar sei. Überdies fehle es an einem sachlichen Grund für die Besetzung des Arbeitsplatzes. Die Antragstellerin führte die Maßnahmen vorläufig durch und stellte beim Arbeitsgericht Anträge auf Zustimmungsersetzung sowie nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG.
Die Anträge waren in beiden Instanzen erfolgreich.
Das LAG Düsseldorf ist der Auffassung, dass beide Maßnahmen nach § 14 Abs. 3 AÜG i.V.m. § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind. § 14 Abs. 3 AÜG unterscheide insoweit nicht zwischen Versetzung und Einstellung, sondern statuiere das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Entleihbetriebs vor der Übernahme des Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung. Der Betriebsrat solle beteiligt werden, wenn der Arbeitnehmer beim Entleiher eingegliedert werde. Der Einsatz in einem anderen Betrieb sei unabhängig davon, ob es sich um Stamm- oder Leiharbeitnehmer handele, eine erneute Übernahme zur Arbeitsleistung, weil der Arbeitnehmer neu in einen anderen Betrieb eingegliedert werde.
Der vom Betriebsrat geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund liege aber nicht vor. Es komme nicht darauf an, ob für die Beschäftigung der Leiharbeitnehmer ein Sachgrund vorliege oder nicht. Eine Gleichstellung des Merkmals „vorübergehend“ nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit der befristeten Tätigkeit i.S.v. § 14 TzBfG scheide aus. Der Gesetzgeber habe zwei arbeitsmarktpolitische Instrumente mit unterschiedlichen Regelungszwecken geschaffen.
Soweit ein sachlicher Grund gefordert werde, führe der Gesetzgeber diesen – wie in § 14 Abs. 1 TzBfG – auf. Werde nur ein unbestimmter zeitlicher Begriff verwendet, so folge daraus, dass der Gesetzgeber nur an diese Zeitkomponente, nicht aber an einen sachlichen Grund anknüpfe. Dies gelte auch für die Besetzung von Dauerarbeitsplätzen. Der beabsichtigte Einsatz der Leiharbeitnehmer von 12 und 24 Monaten sei als „vorübergehend“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG anzusehen. Es müsse daher nicht entschieden werden, ob § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ein Verbotsgesetz i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstelle. Schließlich sei die vorläufige Durchführung der Maßnahmen gemäß § 100 BetrVG erforderlich gewesen.
Fazit:
Nach § 99 BetrVG hat der Betriebsrat insbesondere bei der Einstellung eines Arbeitnehmers mitzubestimmen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht besteht auch für den Betriebsrat im Entleiherbetrieb bei der Besetzung einer Stelle mit einem Leiharbeitnehmer. Nach der Entscheidung des LAG Düsseldorf steht dem Entleiherbetriebsrat sowohl bei der „Einstellung“ als auch bei der „Versetzung“ eines Leiharbeitnehmers ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zu. § 14 Abs. 3 AÜG bringt dies unmittelbar zum Ausdruck. Im Sinne dieser Norm ist der Entleiherbetriebsrat „vor der Übernahme“ eines Leiharbeitnehmers zu beteiligen. Unter dem Begriff der Übernahme wird allgemein jede Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Entleiherbetrieb unter Zuweisung eines Arbeitsbereichs verstanden. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sind dabei der Begriff der „Übernahme“ gemäß § 14 Abs. 3 AÜG und der Begriff der „Einstellung“ gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG identisch auszulegen. Erfasst ist dabei auch der vorübergehende Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen im Entleiherbetrieb. Allerdings erfordert ein vorübergehender Einsatz eines Leiharbeitnehmers i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG keinen sachlichen Grund nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 TzBfG.
Ob das Bundesarbeitsgericht im Rahmen des Revisionsverfahrens (Az: 7 ABR 84/12) der Auffassung des LAG Düsseldorf folgen wird, bleibt abzuwarten.